Langweiler und Phrasendrescher

Über das in der "Zeit" erschienene "Manifest für einen relevanten Realismus"

Von Thomas BlumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Blum

Gemeinsam ist den Romanautoren Matthias Politycki, Thomas Hettche, Martin R. Dean und Michael Schindhelm, dass sie öde Langweilerprosa veröffentlichen. Jetzt haben sie obendrein eine Einschlafhilfe verfasst, die sie "Manifest für einen relevanten Realismus" genannt haben und die vergangene Woche in der "Zeit" abgedruckt wurde. Darin wenden sie sich gleichermaßen gegen die jungen Popliteraturstammler, gegen schimmlige Wurstbrotliteratur (Grass, Walser etc.) wie gegen die so bezeichneten "Sprachartisten". Mit diesem Begriff müssen wohl richtige Schriftsteller gemeint sein.

Wer aber, wie es die anfangs genannten Herren tun, Sachen sagt wie "relevante Narration" und ähnlich gespreiztes Wichtigmacherdeutsch von sich gibt, wer glaubt, ein Roman müsse die "Bewohnbarkeit" der Welt "beibehalten" und "Problemfelder in lokalem oder globalem Kontext in eine verbindliche Darstellung bringen", der hat entweder ein paar Semester zu lange Soziologie studiert oder weiß aus anderen Gründen nicht vernünftig zu formulieren. Jedenfalls sollte man ihm die Tastatur wegnehmen.

Es ist jedoch, wie immer, noch schlimmer. Nicht nur schreiben diese Leute so, als hätten sie die letzten zwanzig Jahre im Aktenschrank des Büros eines Sozialpädagogenehepaars gelebt. Es kommt auch noch ein abgestandenes, pfäffisches Sonntagsgeschwätz à la Wolfgang Thierse dazu: Es sei die Aufgabe des Schriftstellers, "Brücken zu bauen", "im Brennpunkt des gesellschaftlichen Diskurses" zu sein und dergleichen mehr. Überdies will man gar "eine neue Mitte konstituieren" und "endlich die leere Mitte der Gesellschaft", was immer das auch genau sein mag, "zurückgewinnen". Als hätte man von dieser Sorte Leute nicht schon genug. Als würde man nicht täglich aufs neue von einer gigantischen Menge solchen Geschwätzes berieselt.

Man bedenke: diese vier Herren halten sich für Künstler. Wer aber Brücken bauen will, der nehme Beton. Und wer die Mitte, wie leer oder voll sie auch sein mag, zurückgewinnen will, der bewerbe sich als Sprechautomat bei einer der diversen Parteien und schreibe keinen eitlen, illiteraten Schmus in die Zeitung hinein.

Auf der nächsten Seite antworten andere Schriftsteller, die auch nicht schreiben können. Andreas Maier nennt sein Verhältnis zur Welt "ein Fass ohne Boden", und Juli Zeh freut sich darüber, dass ihre Kollegen sich "am eigenen Zopf aus dem Lamento ziehen". Man bekommt Schmerzen von all dem. Den einzigen vernünftigen Satz schreibt Uwe Tellkamp: "Wir müssen gute Bücher schreiben und schlechte vermeiden." So ist es.

Anmerkungen der Redaktion: Der Text erschien in leicht gekürzter Form zuerst in der "Jungle World" vom 29. Juni 2005. Wir danken dem Autor für die Publikationsgenehmigung.