Findlings-Krimi im Arkanistenmilieu

Beate Rothmaiers Romandebüt

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer weiß schon, dass ein Arkanist weder Bewohner des US-Bundesstaats Arkansas ist noch den Schützen bezeichnet, der einen Arkebusen bedient? - Vielmehr meint das Wort einen Chemiker, der sich auf die im 18. und 19. Jahrhundert als Staatsgeheimnis gehandelte Porzellanherstellung verstand. Zum Arkanum (lat. Geheimnis) gehörten das Wissen um Zutaten und Zubereitung der Porzellanmasse, Brennen, Farbgestaltung, Vergoldung und Glasur, welche - eine weniger bekannte Facette des österreichisch-preußischen Kriegs - die Wiener den Meißnern abschauen sollten.

Ein spannendes Kapitel Geschichte, in dem Beate Rothmaier ihren ersten Roman ansiedelt. Angelehnt an einen wahren Fall erzählt er die erbärmliche und nicht allzu lange Lebensgeschichte von Caspar, uneheliches Kind eines Arkanisten, der Porzellanmaler werden möchte.

Als kleines Kind von Mutter und Stiefvater weggegeben, ist der Protagonist zu einem Leben in Unmündigkeit verurteilt. Keiner ist bereit, sich um den Buben zu kümmern. Obwohl sich Caspar durchschlägt und in manchen Dingen auch durchsetzen lernt, fehlt ihm soziale Verantwortung, die niemand für ihn übernehmen wollte. Von seinen bäuerlichen Pflegeeltern schlecht behandelt, läuft er fort und beginnt in der Porzellan-Fabrik zu arbeiten - nachdem seine beim Amt eingereichte Beschwerde ungehört bleibt. Dem Mann, der sein Vater ist, wagt sich Caspar nicht anzuvertrauen. Wohl kann er durchsetzen, dass man ihm eine Lehrstelle als Porzellanmaler einräumt - doch nach dem Brand der Fabrik ohne Fürsprecher verkauft sein Vormund den Fünfzehnjährigen kurzerhand an die Werber. Dem Söldnerleben entzieht sich Caspar in Rothmaiers Roman durch einen Sprung in die eiskalte Donau. Dagegen hat es sein historisches Vorbild bis ins Greisenalter gebracht und ist als Tagelöhner gestorben. Der Fantasie der Autorin, die sich von in ihrem Heimatort vorgefundenen Gerichtsakten zu dem historischen Obsorge-Fall anregen ließ, entsprang auch die dramatische Zuspitzung zum Vatermord, den Caspar begeht, als er seinen eigenen Vater als Nebenbuhler bei Karolin, seiner Kinderliebe, findet. Angesichts des Unglücks, das mit der Fabrik geschehen ist, bleibt die Tat zwar unentdeckt, doch wird Caspar von den Folgen eingeholt.

Beate Rothmaiers Stärken liegen im Detail - beim Zusammenspiel von Stimmung und Witterung, das schon ihre preisgekrönte Erzählung "Schneckenaugen" von 2003 ausgezeichnet hat. Einerseits schöpft die Autorin die spärlichen Quellen, die ihr vorlagen, ganz aus - wenn sie etwa die inneren Stimmen des Amtmanns Bröm vor Anschaffung eines neuen Schreibzeugs hören lässt; andrerseits geht sie auch über einiges hinweg, das dem Romanleser dringend wichtig erscheint: Wie setzt nun das Kind Caspar durch, dass ihn der Bauer soweit in Ruhe lässt, dass er lesen lernen kann? Wodurch veranlasst er seinen Herrn in der Manufaktur, dass dieser zustimmt, Caspar möge ein Handwerk lernen? - Und nicht zuletzt: Was ist nun ein Arkanist?

Titelbild

Beate Rothmaier: Caspar. Roman.
Nagel & Kimche Verlag, Zürich 2005.
191 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3312003679

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