Hinweis: Schauerliches Lustwandeln im Landschaftsgarten

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hans von Trotha erschließt in seiner umfangreichen Studie "Angenehme Empfindungen" die Zusammenhänge zwischen neuen künstlerischen Ausdrucksformen, die sich im 18. Jahrhundert entwickelt haben. Dazu zählt er die Ästhetik des Erhabenen, den englischen Landschaftsgarten und den Schauerroman.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen sind die mentalitätsgeschichtlichen Veränderungen, die ab 1700 ein neues Weltbild und eine neue Selbstwahrnehmung der Menschen bedingen. Folge dieses vielschichtigen Prozesses sei die Entdeckung des Unendlichen. Und da das Unendliche weder als Konkretum noch als das Schöne darzustellen war, wurde es im Rückgriff auf Empfindungen erschlossen. Damit war das "Programm einer populären, einer pointierten Wirkungsästhetik" geboren.

Der Autor verfolgt dieses Programm in seinen konkreten künstlerischen Umsetzungen und geht dabei von der "schauerlichen Lust" (Schiller) aus - der ersten angenehmen Empfindung, mit der sich ein neues ästhetisches Konzept verbunden habe: "Dieser angenehme Schauer [...] ist eine Chiffre, sie ist Zitat der grandiosen metaphysisch-ästhetischen Leistung der Selbstbehauptung des Menschen gegenüber dem neuen Raum im Zuge der Sinnlichwerdung des Unendlichen."

Die neue Gartenkunst des 18. Jahrhunderts, die sich besonders in England durchsetzte, deutet Trotha als das vielleicht "spektakulärste System" der Wirkungsästhetik, das die Ausweitung des Raumes in "institutionalisierte, kommunizierbare individuelle Erfahrungen" übersetzt. Endpunkt von Trothas "Genealogie" der "Genres, Sorten, Medien, der Darstellungs- und Wahrnehmungsformen" ist der Schauerroman, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine kurze, aber heftige Popularität genoss.

U. B.

Titelbild

Hans von Trotha: Angenehme Empfindungen.
Wilhelm Fink Verlag, München 1999.
400 Seiten, 50,10 EUR.
ISBN-10: 377053395X

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