Papst Thomas - Krista Fleischmanns ungekürzte Interviews mit Thomas Bernhard

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wo ist ihre Heimat?", fragt die Journalistin Krista Fleischmann Thomas Bernhard, während beide im mallorquinischen Puerto de Andraitx auf's Meer zugehen. "Meine Heimat ist dort, wo ich grad' bin", antwortet Bernhard. "Also bin ich immer zu Haus und immer daheim."

Das ist schön gesagt. Und in den Interviews, die Fleischmann mit Bernhard 1981 als "Monologe auf Mallorca" für das österreichische Fernsehen filmte - tatsächlich längst zum Kult gewordene Gespräche, die in der neuen Ausgabe zusammen mit denen aus Wien und Madrid erstmals "ungekürzt und in der richtigen Abfolge wiedergegeben" werden - sagt der österreichische Autor sogar noch viel mehr nette Sachen.

"Die Psychoanalyse ist ja nichts Neues", zum Beispiel. "Das ist ja keine Erfindung von Freud, sondern die hat's ja immer gegeben." Und dann: "Ich halt' den Freud nur für einen guten Schriftsteller, und wenn ich ihn gelesen hab', hab' ich immer das Gefühl gehabt, das ist ein ganz außergewöhnlicher, großartiger Schriftsteller. [...] Eine der wenigen großen Persönlichkeiten, die einen Bart gehabt haben und trotzdem groß waren".

Ob er gern Papst geworden wäre, fragt ihn Fleischmann anderntags in Porto Christo, nachdem Bernhard Johannes Paul II. als "Bauernpapst" verunglimpft hat. "Ich wär' gern Papst. Das würde ich spontan mit Ja beantworten".

Im Nachwort schildert Fleischmann Bernhards Betroffenheit beim gemeinsamen Ansehen der Madrider Interviews, die unter dem Filmtitel "Die Ursache bin ich selbst" ausgestrahlt wurden. "Am liebsten würde ich sofort wieder etwas mit Ihnen machen, meinen Nachruf vielleicht", soll er da gesagt haben. "Aber den machen wir dann vor einer weißen Wand, ich allein, ganz statisch".

Leider kam es nicht mehr dazu, bevor Bernhard am 12. Februar 1989 in seiner Gmundener Wohnung verstarb. Was bleibt, sind seine grandiosen Romane, Stücke und Texte - und die wenigen, hier in Teilen veröffentlichten Interviews, die er zeitlebens führte. Auch letztere (immer wieder) zu lesen, lohnt sich - zeigen sie doch alles andere als jenen misanthropischen Schwarzmaler, für den viele den Autor bis heute halten. Vielmehr zeigt sich Bernhard hier als sprachverspielter Spaßmacher und geborener Komiker - in hintergündigen TV-Auftritten mithin, die auch seine düsterste Literatur in neuem Licht erscheinen lassen können.

"Wenn man 'Frost' liest zum Beispiel", blödelt der Autor da etwa über seinen verschatteten Debütroman, "ich hab' ja immer schon Material zum Lachen geliefert. Das ist eigentlich alle Augenblick' hellauf zum Lachen", behauptet er. "Ich weiß nicht, haben die Leut' keinen Humor oder was?"

J. S.

Titelbild

Thomas Bernhard - Eine Begegnung. Gespräche mit Krista Fleischmann.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2005.
156 Seiten, 8,00 EUR.
ISBN-10: 3518457578

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