Fil(m)osophie

Eine grundlegende Anthologie zur "Philosophie des Films"

Von Patrick BaumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Baum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Theodor W. Adorno hat das Kino und den Spielfilm in seiner gemeinsam mit Max Horkheimer verfassten "Dialektik der Aufklärung" mit einem Bannspruch belegt, dessen Wirkung im deutschen Sprachraum bis heute anhält: Film - das ist zuerst und vor allem Kulturindustrie. In dieser Gestalt wird Kultur zum "Massenbetrug", zu einer perfiden Form von 'Opium für's Volk', die den Einzelnen darüber hinwegtrösten und -täuschen soll, dass er nur ein Rädchen im Getriebe der "verwalteten Welt" sei. Entsprechend wird der Film bis heute hierzulande in der philosophischen Ästhetik eher stiefmütterlich behandelt.

In jüngster Zeit aber erfreut sich das Thema "Filmphilosophie" größerer Aufmerksamkeit, wie entsprechende Themenhefte etwa der Zeitschriften "F.lm - Texte zum Film" (5/2004) und "Thesis" (Frühjahr 2006) belegen. Im Paderborner Mentis-Verlag ist nun ein von Dimitri Liebsch herausgegebener Sammelband erschienen, der zum Trend die passenden Grundlagentexte bereitstellt. Das Spektrum ist - vor allem vor dem Hintergrund des eher analytisch ausgerichteten Verlagsprogramms - erfreulich breit und reicht von phänomenologischen über analytische bis hin zu poststrukturalistischen und postmodernen Ansätzen.

Den Texten geht die sehr instruktive Einleitung des Herausgebers voraus, die überdies eine gute weiterführende Bibliografie bietet. Liebsch kontrastiert in dieser Einleitung zwei Lesarten einer Philosophie des Films. Man kann, und das dürfte das landläufige Verständnis sein, darunter die philosophische Reflexion über das Medium Film verstehen: Was ist das Wesen eines Films, was sind seine Spezifika? Wie ist der Zusammenhang von Film und Realität? usw. Der Ausdruck "Philosophie des Films" wird hier im Sinne eines genitivus obiectivus gelesen. Demgegenüber kann er aber auch im Sinne eines genitivus subiectivus verstanden werden: Philosophie des Films als philosophische Reflexion mit filmischen Mitteln. Zu denken wäre hier etwa an die Werke David Lynchs oder David Cronenbergs (die leider bei Liebsch keine Erwähnung finden).

Die neun versammelten Texte des Bands widmen sich vorwiegend der Philosophie des Films im Sinne des genitivus obiectivus. Den Autoren - zu Wort kommen Hugo Münsterberg, Gilbert Cohen-Séat, Roman Ingarden, Maurice Merleau-Ponty, Jean-François Lyotard, Gilles Deleuze, Stanley Cavell, Arthur C. Danto und Noel Carroll - geht es, auf je unterschiedlicher theoretischer Grundlage, um eine Wesensbestimmung des Films. Die Texte sind vom Herausgeber sorgfältig ediert und kommentiert, einige von ihnen (z. B. der Lyotard-Aufsatz) wurden - sehr zu ihrem Vorteil - gar für den Band neu übersetzt. Insgesamt liegt mit "Philosophie des Films" eine in jeder Hinsicht empfehlenswerte Anthologie vor.


Titelbild

Dimitri Liebsch (Hg.): Philosophie des Films. Grundlagentexte.
mentis Verlag, Paderborn 2005.
192 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-10: 3897853515

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