Marburger Politologinnen geben einen Reader zur feministischen Politik und Wissenschaft heraus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dreiecksbeziehungen gelten gemeinhin und völlig zu Recht als äußerst prekär. Einer solchen Dreiecksgeschichte gilt ein von vier Marburger Politologinnen herausgegebener "Reader Feministische Politik & Wissenschaft". Wie Ingrid Kurz-Scherf, Imke Dzewas, Anja Lieb und Marie Reusch, allesamt am Institut für Politologie der Philipps-Universität Marburg tätig, in der Einleitung des von ihnen herausgegebenen Readers erklären, ist auch die "Dreiecksbeziehung" zwischen Feminismus, Politik und Wissenschaft nicht nur "spannend", sondern ebenso "spannungsgeladen".

Das Buch versammelt kurze Auszüge aus Texten etlicher namhafter Theoretikerinnen und Praktikerinnen des politischen Feminismus angefangen mit Olympe de Gouges bis hin zu Judith Butler. Neben solch prominenten Autorinnen wie Hedwig Dohm, Simone de Beauvoire, Kate Millett oder Alice Schwarzer lassen die Herausgeberinnen auch weithin unbekannte Feministinnen zu Wort kommen. Der überwiegende Teil der Texte stammt von deutschsprachigen Autorinnen. Hinzu kommen Arbeiten zahlreicher englischsprachiger Feministinnen sowie einiger ausländischer Europäerinnen, so etwa von der Russin Alexandra Kollontai, der Italienerin Rossana Rossanda oder der Niederländerin Anja Meulenbelt.

Da erklärtermaßen "keine auch nur annähernd vollständige oder repräsentative Dokumentation der Geschichte der Frauenbewegung" angestrebt werden konnte, haben die Herausgeberinnen fünf - einander teilweise überschneidende - Gesichtspunkte zur Auswahl der Texte herangezogen. Gemäß der von ihnen vertretenen Disziplin, der Politologie, erfolgt der erste Blick auf den schier unüberschaubaren Fundus feministischer Texte aus einer "politikwissenschaftlich-feministischen Perspektive", sodann sollten alle Texte für den feministisch-politikwissenschaftlichen Diskurs und die Frauenbewegung "relevant" sein, sich mit einem Thema befassen, das auch in früheren respektive späteren Auseinandersetzungen "eine Rolle gespielt" hat und daher auch für heutige LeserInnen "verständlich und 'interessant'" ist; vor allem aber sollten die Texte nicht nur agitieren, sondern auch argumentieren.

Kurze, aber aussagekräftige Auszüge aus den nach diesen Kriterien ausgewählten Texten wurden zur Publikation in drei Rubriken aufgeteilt, die der Chronologie der feministischen Bewegungen folgen. Der erste Teil, "Frühe Frauenbewegungen", reicht von der Französischen Revolution bis in die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der zweite Teil, "Autonome Frauenbewegung", konzentriert sich auf die 1970er und 1980er Jahre, umfasst aber auch einige frühere Texte meist aus den 1960er Jahren. Der abschließende Teil "Feministische Politikwissenschaft" deckt den Zeitraum der Akademisierung des Feminismus ab; also die letzten beiden Dezennien. Jedem der drei Teile ist ein kurze "Lektürehilfe" vorangestellt.

Der als "Begleit- und Hintergrundmaterial für Lehr- und Bildungsanstalten" konzipierte Reader richtet sich insbesondere an Studierende, die sich "erstmals mit der politischen Dimension des Geschlechterverhältnisses bzw. mit den geschlechtspolitischen Dimensionen von Politik und Politikwissenschaft auseinandersetzen". Gerade durch die Beschäftigung mit historischen Texten aus der Frauenbewegung können sie den Herausgeberinnen zufolge "einen Zugang zu der Komplexität und den aktuellen Herausforderungen feministischer Politik & Wissenschaft finden". Denn die "[k]urze[n] und prägnante[n] Textauszüge" regen zur "vertiefenden Auseinandersetzung" mit den in ihnen verhandelten Themen an, "machen neugierig auf biographische und zeitgeschichtliche Hintergründe" und "ermuntern zum Nachdenken und Reden über die Aktualität und den Wandel der darin angesprochenen Probleme". So regen die "Leseproben" als feministische appetizer zu einer "gründlichen Auseinandersetzung" mit "dem reichhaltigen Schrifttum feministischer Politik & Wissenschaft" an.

Mit dem "Reader Feministische Politik & Wissenschaft" liegt nunmehr die vierte Buchpublikation des Zentrums für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung der Marburger Philipps-Universität vor, die zugleich die neue Zentrums-Reihe "Geschlecht zwischen Vergangenheit und Zukunft" eröffnet.

R. L.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeiter / innen der Zeitschrift sowie Angehörigen der Universität Marburg. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.


Titelbild

Reader Feministische Politik & Wissenschaft. Positionen, Anregungen, Perspektiven.
Herausgegeben von Ingrid Kurz-Scherf, Imke Dzewas, Anja Lieb und Marie Reusch.
Ulrike Helmer Verlag, Königstein 2005.
259 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-10: 3897411881

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