Ausgang aus der Traurigkeit

Jacques Le Goff skizziert Einstellungen zum Lachen im Mittelalter

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kein Zweifel, Jacques Le Goff ist ein international anerkannter Mediävist, der in vielen seiner Bücher faszinierende Einblicke in die Welt des Mittelalters gewährt. Aber sein Büchlein über "Das Lachen im Mittelalter" ist, um es gleich vorwegzunehmen, so kostbar und vorzüglich es auch aufgemacht ist, eine arge Enttäuschung - insbesondere für jene, die Karl-Josef Kuschels "Lachen. Gottes und der Menschen Kunst" und Peter L. Bergers "Erlösendes Lachen" in den vergangenen Jahren aufmerksam gelesen haben.

Le Goff skizziert Fragen und Probleme einer Geschichte des Lachens im abendländischen Mittelalter sowie Einstellungen zum Lachen und Ausdrucksformen des Lachens. Man könnte, meint er, auch von der "Theorie und Praxis des Lachens sprechen". Beim Lachen gehe es nicht zuletzt um Wertvorstellungen, Mentalitäten, Sitten, Gebräuche und Ästhetik. Ähnlich wie Umberto Eco in "Der Name der Rose" bemüht sich der französische Mediävist, den Stellenwert des Lachens in der mittelalterlichen Gesellschaft und Kultur dingfest zu machen.

Er weist darauf hin, dass in der frühchristlichen Zeit bis zum Ende des Mittelalters vor allem in Kirchenkreisen ernsthaft die Frage diskutiert wurde, ob Christus auf Erden gelacht habe, ob Gott überhaupt lachen könne und ob nicht der lachende Mensch die göttliche Weltordnung verspotte.

Aristoteles indes, auf den sich die Kirche in vielen Dingen beruft, hatte die Meinung vertreten, dass das Lachen das eigentliche Wesen (proprium) des Menschen sei. Wie aber ließen sich die beiden Einstellungen in Einklang bringen? Tatsächlich gelang es der Kirche lange Zeit nicht, Ernst und Lachen zusammenzudenken, stattdessen wurde vom 4. bis zum 5. Jahrhundert das Lachen strikt unterdrückt. Es galt als eine Manifestation des Teufels. Erst im 12. Jahrhundert unterschied die Kirche zwischen einem guten und einem verwerflichen Lachen.

Im Leben der Mönche jedoch wurde das Lachen zusammen mit dem Müßiggang als große Bedrohung des Mönchs präsentiert. Ja, in den verschiedenen Mönchsordnungen gab es regelrechte Lachverbote. Während im 5. Jahrhundert das Lachen die schlimmste und unanständigste Form war, das Schweigen zu brechen, verstieß ein Jahrhundert später, nach Auffassung des heiligen Benedikt, das Lachen in erster Linie gegen die von Mönchen geforderte Demut. Die Mönchsväter verknüpften daher das Gebot mönchischer Demut mit dem Verbot zu lachen und stützten sich dabei auf eine ganze Sammlung von Hinweisen in der Bibel, die Le Goff im Einzelnen anführt. Überdies sollten Christen, verlangte die strenge kirchliche Obrigkeit, sich nicht als Clowns oder Possenreißer aufführen und das Wort Gottes nicht durch Gelächter erniedrigen.

Während das spöttische Lachen im kirchlichen Bereich lange Zeit blockiert wurde, blühte das Lächeln in der Malerei und in der Skulptur auf. An den Kirchenportalen des Bamberger Doms beispielsweise lächeln die klugen Jungfrauen, während die törichten Schwestern albern lachen. Nun ja, Dummheit lacht, sagt das Sprichwort.

Die Mönche mussten zwar spezielle Lachverbote beachten, doch wollten auch sie sich gelegentlich amüsieren und dachten sich daher schriftliche Scherz- und Witzsammlungen aus, die "joca monacorum", in denen eine fast ungezwungene Praxis des Lachens weiterlebte. Insofern zeigte der Mönch, obwohl er ansonsten der Inbegriff des weltflüchtigen, 'weinenden' Menschen (homo lugens) war, manchmal auch das heitere Gesicht des homo risibilis, also des Menschen, der im Unterschied zu allen anderen Lebewesen zu lachen vermag. (Tierliebhaber allerdings würden Le Goff hier heftig widersprechen, auf Delphine und andere Tiere verweisen und anmerken, dass auch Tiere Freude und Schmerz empfinden und auf entsprechende Weise zum Ausdruck bringen.)

Die zweite Periode in der Geschichte des mittelalterlichen Lachens war die Zeit des befreiten und kontrollierten Lachens, als das weltliche Leben außerhalb der Klostermauern und mit ihm literarische Werke in der jeweiligen Landessprache Aufschwung nahmen. Damals entwickelten sich auch Satire und Parodie. Die Kirche freilich war weiterhin auf die Zähmung des Lachens bedacht. Bei Franz von Assisi (er lebte im 12. und 13. Jahrhundert) wurde dagegen das Lachen als Lächeln Attribut und Zeichen seiner Heiligkeit und drückte wahre Spiritualität aus.

Der französische König Ludwig IX. der Heilige (er lebte ebenfalls in dieser Epoche) befand zwar, dass der Mensch freitags nicht lachen dürfe. Er selbst war, auch wenn er an diesem Wochentag nicht lachte, in der übrigen Zeit dem Lachen offenbar nicht abgeneigt. Er soll ein freundlicher König, ein rex facetus, gewesen sein. Seitdem gehörte es fast zu den Pflichten des Königs, durch Späße für Frohsinn in seiner unmittelbaren Umgebung zu sorgen. Auch Heinrich II. von England, so wird überliefert, war ein rex facetus. Im Großen und Ganzen freilich war das Mittelalter unter dem Einfluss von Kirche und Bibel eher eine Zeit der Traurigkeit.

Der Band endet mit einem umfangreichen, vierzig Seiten umfassenden Anmerkungsteil und einem längeren Plädoyer für eine Geschichte des Lachens von Rolf Michael Schneider, in dem dieser Le Goffs Darlegungen nochmals zusammenfasst und kommentiert und zugleich auf das "Lachen im Medium der Bilder" hinweist, was wiederum durch entsprechendes Bildmaterial veranschaulicht wird.

Aber es bleibt dabei, inhaltlich bieten Jacques Le Goffs Ausführungen wenig Neues und sind, bei Lichte betrachtet, recht dürftig. Zudem ist, von einigen Druckfehlern abgesehen, auch die Übersetzung durch Jochen Grube nicht ganz geglückt.


Titelbild

Jacques LeGoff: Das Lachen im Mittelalter.
Mit einem Nachwort von Rolf Michael Schneider.
Übersetzt aus dem Französischen von Jochen Grube.
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2004.
128 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-10: 3608942742

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