Wie im Kino
Shashi Tharoors Roman "Bollywood" ist so prall wie der Busen von Indiens saftigster Filmschönheit
Von Monika Münch
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseGeschichten voll von Klatsch, Affären, Sex und Korruption? Die gibt es im Kino - und in der Politik. Shashi Tharoor, Autor des Romans "Bollywood", kennt beide Welten - und plaudert.
"Bollywood" ist die Geschichte des Ashok Banjara, der - mit wenig Talent und einem einflussreichen Vater gesegnet - sein Glück als Kinodarsteller machen möchte. Tatsächlich gelingt es ihm: Binnen kurzer Zeit wird er zum Megastar, zum glücklichen Ehemann und kurz danach zum miesen Schwein auf ganzer Linie; Ehebruch, Steuerhinterziehung, Wahlbetrug. Es ist ein fulminantes Auf und ein radikales Ab, das Leben dieses Ashok Banjara, der jedes seiner erzählerischen Intermezzi mit einem "Ich kann es nicht glauben, dass ich das bin" beginnt. Zu Recht übrigens.
Mit großem Geschick hat Tharoor für diese Geschichte einen Erzählaufbau geschaffen, der einem Film-Plot in nichts nachsteht. Vielleicht ist es der oralen Erzähltradition Indiens geschuldet, dass hier Handlungsstränge gegenläufig sind, sich unbekümmert kreuzen, ohne allerdings den Lesefluss zu hemmen. Im Gegenteil, die Neugierde wächst, wenn sich erst nach und nach enthüllt, welche Katastrophe sich anbahnt im Leben des schönen Helden.
Geschrieben hat Tharoor den Roman schon in den frühen Neunzigern; pünktlich zum Buchmesseschwerpunkt Indien legt der Insel Verlag die Übersetzung vor. Auch sonst ist der Zeitpunkt strategisch gut gewählt, denn den Namen des Autors wird man zum Jahresende des Öfteren lesen: Shashi Tharoor, der seit 1978 für die UNO arbeitet, gilt derzeit als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des UN-Generalsekretärs, das Kofi Annan im Dezember abgeben wird.
Doch trockene Polit-Rhetorik gibt es hier nicht. In epischer Breite lässt Tharoor ganze Bollywoodschinken einfließen, kommen ebenso Feind und Freund seines Protagonisten zu Wort wie die Klatschkolumnistin aus der Zeitschrift "Showbiz" - übrigens immer wieder gern und zur großen Freude des Lesers. Hohe Literatur mag das nicht sein: Die Moral allzu plakativ, die Charaktere astreine Klischeefiguren - aber das sollen sie ja nun auch sein, schließlich bewegen wir uns ja in der Welt des schönen Scheins. Doch diese in sich geschlossene, fiktive Geschichte erfüllt trotzdem und vor allem zwei Kriterien für ein gelungenes Buch: Sie ist durch und durch unterhaltsam. Denn ein wenig Klatsch, geben wir's zu, vergnügt uns doch alle. Zudem gewährt "Bollywood" auch differenzierte und kenntnisreiche Einblicke in eine fremde Welt, etwa in die der indischen Filmindustrie mit ihren schmalztriefenden Geschichten und ihren extremen Erzählmodi. Wo Schweizer Konten unter den wachsamen Augen spiritueller Gurus nicht nur existieren, sondern florieren können, wo weichgespülte Kitschromanzen noch im ärmsten Slum ihre Anhänger finden. Eine Welt also, wie sie der Indien-Neuling vielleicht nicht verstehen kann. Doch dank Tharoor kann er sie wenigstens glitzern sehen.