Aufstieg und Fall
In ihrem Roman „Der Einfluss der Fasane“ erzählt Antje Ravik Strubel spielerisch-ironisch vom Aufstieg und Fall einer Journalistin
Von Peter Mohr
Die 51-jährige Schriftstellerin Antje Ravik Strubel, die schon vor einem knappen Vierteljahrhundert mit dem angesehenen Ernst-Willner-Preis in Klagenfurt ausgezeichnet wurde und 2021 für ihren Roman Blaue Frau den Deutschen Buchpreis erhielt, hat sich in ihrem Roman Der Einfluss der Fasane mit dem deutschen Feuilleton, dem Suizid eines Theaterintendanten und dem Aufstieg und Fall einer Journalistin beschäftigt.
Im Mittelpunkt des Romans steht Hella Karl, Feuilletonchefin und renommierte Theaterkritikerin einer angesehenen Berliner Tageszeitung. Wenn irgendwo in der Hauptstadt im kulturellen Bereich ein Event steigt, ist sie stets mittendrin.
Antje Ravik Strubel, die zunächst eine Ausbildung zur Buchhändlerin absolvierte und danach Literaturwissenschaften, Psychologie und Amerikanistik studierte, hat eine höchst ambivalente Hauptfigur entworfen, keine echte Sympathieträgerin, sondern eine ehrgeizige, bisweilen höchst egoistische Karrierefrau. Im Laufe des Buches wandelt sie auf dem schmalen Grat zwischen Täter und Opfer.
Mit ihrem Partner, ein zehn Jahre jüngerer, höchst attraktiver Architekt, lebt sie in einem Potsdamer Villenviertel. Eines Morgens erfährt sie vom Suizid des bekannten Berliner Theaterintendanten Kai Hochwerth direkt vor dem weltberühmten Opernhaus in Sidney. In Kollegenkreisen wird Hella verantwortlich gemacht für den Selbstmord. Sie hatte einen Artikel über Hochwerth verfasst, in dem sie ihn als Haustyrann beschrieben hatte, der bei Mitarbeiterinnen übergriffig geworden ist. Eine junge Schauspielerin soll er sogar zu einem Schwangerschaftsabbruch gedrängt haben.
Es ging nicht um irgendeinen Toten. Es ging um den Mann, dem sie den Tod gewünscht hatte. Nicht laut. Nicht öffentlich. Ausgesprochen hatte sie das jedenfalls nie. Aber wenn sie in sich hineinhorchte, und angesichts der unerwarteten Meldung horchte sie für einen Moment sehr aufmerksam, musste sie zugeben, dass sie jüngst von diesem Wunsch befeuert worden war.
Plötzlich dreht sich der Wind für die erfolgreiche Hella, sie wird zwangsbeurlaubt und der Geschäftsführer ihrer Zeitung sieht in dem Skandal einen Anlass, die Kulturseiten zu reduzieren oder ganz zu streichen. Die Hauptfigur wird Opfer eines medialen Shitstorms, wird aufs übelste beschimpft und erhält Drohnachrichten und Hass-E-Mails. Ist Hella, deren Privatleben ebenfalls aus dem Ruder läuft, Täterin oder Opfer?
Antje Ravik Strubel thematisiert mit viel Augenmaß die Krise der Zeitungsbranche und stellt die Frage nach einem verantwortungsvollen Journalismus – abseits von Klickmaschinen, die gezielt Emotionen schüren und zwischen Dichtung und Wahrheit nicht mehr unterscheiden. Tempo scheint das höchste Gebot zu sein, lieber eine Falschmeldung „heraus hauen“ als Zweiter zu sein im Kampf um Klicks und Follower.
Macht und Machtmissbrauch und die offensichtlich magische Anziehungskraft, die Macht ausüben kann, spielen eine zentrale Rolle. Und es stellt sich bei der Lektüre die Frage: Kann Macht einen Menschen skrupellos werden lassen?
Antje Ravik Strubel kennt die Berliner Kulturszene aus dem Effeff, erzählt diese „Story“ ohne erhobenen moralischen Zeigefinger und lässt dem Leser so genügend interpretatorischen Freiraum. Ihre Sprache wirkt weit weniger ernst als in Blaue Frau. Der Tonfall hat etwas spielerisch-ironisches und kommt wohltuend leicht daher.
„Mich fasziniert der Moment der Irritation, auch des Schreckens, der entsteht, wenn man an eine Grenze stößt“, hatte Antje Ravik Strubel einmal im Interview erklärt. Irritationen, Schrecken und schmerzhafte Grenzen enthält „Der Einfluss der Fasane“ reichlich. Und auf der letzten Seite gibt es auch noch die geheimnisvolle Begegnung mit einem imposanten Fasanenmännchen in der Dunkelheit.
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