Die Intellektuellen und die deutsche Einheit

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Der Streit um Christa Wolf wurde zu einem „Intellektuellen­-Streit“ im doppelten Sinn: ein Streit unter Intellektuellen, doch zugleich auch einer um den „Linksintellektuellen“, der meistens immer noch gemeint ist, wenn heute von „Intellektuellen“ die Rede ist. Diejenigen, die Christa Wolf besonders scharf angriffen, gebrauchten das Wort „Intellektuelle“ vorwiegend in einem abwertenden Sinn, wenn nicht sogar als Schimpfwort. Daß ihre Kritik an Christa Wolf von Anfang an zugleich auch eine Kritik an den deutschen Intellektuellen und ihrer Skepsis gegenüber dem Prozeß der deutschen Einigung war, trug entscheidend zur Eskalation des Literaturstreits bei und wurde zu einem seiner dominanten Aspekte.

Schon in seiner Rede vom 11. Juni 1990 auf dem Potsdamer Kolloquium zur „Kulturnation Deutschland“ beklagte Walter Jens, daß den literarischen Intellektuellen, die sich in beiden Teilen Deutschlands nicht „als Apologeten der Macht, der Partei oder des großen Geldes in Dienst nehmen“ ließen, gerade auch in den Angriffen auf Christa Wolf ein kruder, höhnischer „Anti-Intellektualismus“ entgegenschlage (siehe S. 167). Und Ivan Nagel erinnerte in seinem Beitrag zum Literaturstreit am 22./23. Dezember 1990 in der Süddeutschen Zeitung an die fatale Geschichte des Schimpfworts „Intellektuelle“ (siehe S. 184). Mit seinen historischen Hinweisen auf die Intellektuellenfeindschaft sowohl kommunistischer als auch nationalsozialistischer Parteidiktaturen warnte er vor einer neuen „Intellektuellenjagd“ in westdeutschen Feuilletons.

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Aus Thomas Anz (Hg.): „Es geht nicht um Christa Wolf“. Der Literaturstreit im vereinten Deutschland. Marburg 2019 (siehe Verlagsseite)