12.1.2017 – ohnesinn

Ohne Sinn könnte es gehen.
Geklaut, wie doch heute alles geklaut ist, von Tschick, veröffentlicht in dem Jahr, als Herrndorf von dem Tumor in seinem Gehirn erfuhr. Ich habe die beiden Worte letztes Jahr aus dem Film mit dem Gefühl mitgenommen, dass ich sie noch mal brauchen würde.
Jetzt ist es so weit: sie sollen helfen, mein strenges Überich auszutricksen.
Nur ohne Sinn kann ich reden, wie es mir gerade einfällt.
Kein Thema, keine Gliederung, keine Einleitung – nur ein Anfang, kein Schluss – nur ein Ende. Ohne dass dort ein Lektor oder Verleger auftaucht.
Schon die Vorstellung von einem Ganzen, das geschaffen werden will und dann soll, war mir in den letzten Jahren oft zu groß, und ich habe das Schreiben verloren. Viel zu viel Sinn.

Wohin mit meinen Wörtern ohne Sinn? Ich kann sie in den Himmel hängen. So stelle ich mir das www vor. Ganz schön kindisch, schon klar, aber bald werde ich 74, da darf ich das doch endlich.
Vielleicht fällt irgendwo mal ein Gedanke herunter und lebt weiter, vielleicht auch nicht.
Vielleicht werde ich davon erfahren, vielleicht auch nicht. Es ist nicht wichtig.
Und es ist egal, mit welchem Satz ich beginne. Völlig ohne Bedeutung. Wie wunderbar leicht das doch ist!
Ich fülle meinen Tag mit Worten und Bildern und schicke sie in die Luft und gebe ihnen den Namen: ohnesinn.

... [Weiterlesen]


Aus Heide Tarnowski: überallundnirgends. 2017 mit 74 – Ein Tagebuchroman. Sonderausgabe von literaturkritik.de im Verlag LiteraturWissenschaft.de