Einleitung
c) Boheme und Avantgarde
»Es geht nicht an«, dozierte ein bekannter Kunstsoziologe im Jahre 1913, »daß die Literarhistoriker der Zukunft […] um ein paar einflußreicher Narren halber, die sich soziologisch nicht schwer klassifizieren ließen, uns allgemein Expressionismus, Kubismus u. a. aufs Konto setzen dürfen«.[1] Absolutem Unverständnis begegneten die jüngsten Entwicklungen in bildender Kunst und Literatur, die von der »kulturtragenden Schicht«, dem mittleren Bürgertum, für Ausdrucksformen einer exzentrisch-verrückten Boheme-Subkultur gehalten wurden. In reaktionären Kreisen förderte man gar die Fama, der sogenannte Expressionismus »werde durch geschäftstüchtige Kunsthändler und korrupte Kunstschriftsteller dem braven Volke aufgezwungen«.[2] Kulturelle Feindbilder dieser Art waren eine der Kehrseiten der scheinbar gesicherten bürgerlichen Zivilisation des wilhelminischen Kaiserreichs, dessen »versteinerte Gesellschaftsordnung […] alle kulturellen Alternativen in das Schattendasein von Gegenkulturen verbannte«.[3]
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