Einleitung

d) Die nicht mehr schönen Künste

»Die verfluchten Worte Ästhetik und ästhetisch! Jeder fühlt sich in ihrem Gebrauch wichtig […]. Kein Ding ist ästhetisch, kein Bewußtsein. Nichts ist unästhetisch.«[1] Mit apodikti­schen Aussagen zur Theorie des Schönen, welche die Tradition klassischer Kunstlehre und nachklassischer Ästhetik der Vormoderne destruierten, wurde in der Zeit des Expressionismus nicht gespart. Die in den Künstler-Ästhetiken etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts bewußt ge­haltene Differenz zwischen dem Künstlerischen und dem Ästhetischen[2] verschärfte sich da­mit zur Verneinung von Kunsttheorien überhaupt, die das Ästhetische als eine Objekteigen­schaft postulierten. Hinzukam, daß sich der Kanon der als schön oder ästhetisch bislang noch anerkannten Formen und Gehalte im Denken und Geschmack der Avantgarde längst aufgelöst hatte: »Es wurde zum Axiom der modernen Kunst, daß die Schönheit auch das Furchtbare und Grausige, die Vernichtung und das Unbegreifliche umfaßt. Es entstand die Ästhetik des Häßli­chen und Schrecklichen, der verletzenden Dissonanz und Deformation, die als Ausgeburt der Trauer und Verzweiflung über die Welt das beruhigende humanistische Ideal hinwegfegte.«[3]