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Rezensionen von literaturkritik.de
Von der Unmöglichkeit, die Realität nicht zu beschreiben
Marko Martin im Gespräch mit Monika Wolting über „Das Haus in Habana“ und das politische Engagement des Autors
Von Monika Wolting
Ausgabe 10-2018
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Klappentext des Verlages
»Das Haus in Habana« ist keine der üblichen Abrechnungen mit Cuba. Marko Martin kennt die Region seit langem und ist deshalb keineswegs naiv »enttäuscht« von dortiger Realität. War sein 2013 in der Anderen Bibliothek erschienener Erzählband »Die Nacht von San Salvador« bereits eine Hommage an den lateinamerikanischen Kontinent, setzt er sich in seinem literarischen Journal nun mit der Karibikinsel auseinander. Seine Gewährsleute sind dabei Romanciers wie Hans Christoph Buch, Jorge Edwards und Mario Vargas Llosa, mit denen er viele Gespräche über Cuba geführt hatte, jedoch auch regimekritische Intellektuelle, die vom Castro-System in die Welt hinaus getrieben worden waren.
Dennoch überrascht und packt ihn dann das Hochambivalente der nachfolgenden Erfahrungen, gerät das bisherige Koordinaten- und Referenzsystem ins Wanken: Wem kann er trauen auf Cuba, was verbirgt sich hinter (wiederum verborgenen) Absichten, wo endet tropische Lebensfreude und beginnt politische Existenzangst, wie vermischt sich beides im Gespräch, in der Mimik, ja selbst in der Sexualität? Und wie nimmt er, einst als Kriegsdienstverweigerer aus der DDR ausgereist, die letzte Diktatur in der Karibik wahr, die nun in einen partei-gelenkten Frühkapitalismus hineinstolpert?
Marko Martin möchte den Transformationsprozess der Nach-Castro-Zeit jedoch nicht journalistisch oder soziologisch beschreiben, sondern nimmt ihn wahr als jüngsten Aspekt jenes lateinamerikanischen syncretismo, dessen magischer (oder besser: sinnlicher) Realismus kein Klischee ist. Wie gehört das alles zusammen: Die plötzliche Panik des Erfolgs-Romanciers Leonardo Padura, die zerrissenen Jeans eines desillusionierten Karatelehrers, die heimliche Überwachung und ein affirmatives Stasi-Museum, die Avancen einer nachmittäglich einsamen Geheimdienstmitarbeiterin, die subversive Vorliebe für die vorrevolutionären Songs von Buddy Holly, der Verfall und die Schönheit Habanas, das Elend der ausländischen Sextouristen und die Lügen-Labyrinthe, in denen sich viele der Einheimischen bewegen? Von Habana über die berückenden Städte Trinidad und Santiago wird Martin zum Zeugen und Beteiligten geradezu aberwitziger Geschehnisse.
»Das Haus in Habana« scheint nämlich (wie einst »Das Haus in Montevideo«) eine Art Bordell zu sein; ganz sicher jedoch beherbergt das Nachbarhaus die Stasizentrale des Viertels. Martins Sprache – hingerissen von tropischer Sensualität, spielerisch, tabulos und gleichzeitig skeptisch-reflexiv – schmiegt sich der komplexen cubanischen Wirklichkeit an, um sie sich auf diese Weise anzuverwandeln oder auch von ihr überwältigt zu werden: Das literarische Journal wird zum pikaresken Entwicklungs- und Schelmenroman.
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