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Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang

Von Peter Carey


Bories vom Berg schrieb uns am 22.02.2022
Thema: Peter Carey: Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang

Robin Hood in Australien

Für seinen Roman «Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang» erhielt der australische Schriftsteller Peter Carey 2001 den Booker Prize. Der als bedeutendster lebender Autor seines Landes angesehene Romancier ist damit einer der vier Autoren die den seit 1969 vergebenen Buchpreis zweimal erhalten haben. Wie fast immer bei diesem Autor ist sein Roman inhaltlich auf seine Heimat bezogen hier auf den legendären 1854 geborenen ‹Staatsfeind› Ned Kelly der zu den als Bushranger bezeichneten Outlaws gehörte. Solch berühmte historische Figuren werden ja gern wie auch in dieser fiktiven Autobiografie zum Robin-Hood-artigen Volkshelden verklärt Ned Kelley habe sich ja nur gegen die Willkür der verhassten Kolonialbehörden aufgelehnt. Diesen nationalen Mythos hat der Autor durch seinen Roman auch international bekannt gemacht.

In 17 als Päckchen bezeichnete ‹Papierbögen› unterteilt schildert der Romanheld tagebuchartig seiner Tochter die ihn nie kennen gelernt hat seine «wahre Geschichte». Als Sohn irischer Einwanderer die als Squatter genannte Farmer ein armseliges Leben am unteren Ende der sozialen Hierarchie fristen muss Ned schon mit zwölf Jahren als Halbwaise in dem vaterlos gewordenen Haushalt mitarbeiten. Seine Mutter von ihm über alles geliebt bessert mit dem Verkauf von selbst gebranntem Schnaps und gelegentlichen Liebesdiensten an zweifelhaften Mannsbildern die meist leere Haushaltskasse ein wenig auf. Einer von ihren Freiern ist der legendäre Harry Power der Ned auf ihren Wunsch hin unter seine Fittiche nimmt bei ihm soll er das Handwerk des ‹Bushrangers› lernen. Nach diversen Gaunereien und Viehdiebstählen bei den Reichen die er mit einigen ihm treu ergebenen Ganoven mit seiner Gang gemeinsam begeht erschießt er bei einem Schusswechsel einen Polizisten und wird fortan von einem wachsenden Aufgebot der Polizei verfolgt. Durch einen raffiniert ausgetüftelten Bankraub in den er die ganze ihm wohlgesinnte Bevölkerung einer Kleinstadt als Publikum mit einbezieht verschafft er sich das benötigte Geld für seine geplante Auswanderung. Dazu kommt es aber nicht mehr denn die Behörden schicken schließlich eine ganze Hundertschaft Polizisten mit der Eisenbahn in die kleine Stadt wo es dann in bleihaltiger Luft zum Showdown kommt.

Peter Carey hat seine in Briefform angelegte fiktive Autobiografie in einer seinem ungebildeten Helden angemessenen Sprache verfasst um größtmögliche Authentizität vorzutäuschen. Und so finden sich in seinem Text außer den Punkten an den Satzenden weder Kommata noch sonstige Satzzeichen. Was beim Lesen zunächst mal irritierend ist obwohl man sich daran gewöhnen kann diese Rezension mag als Beispiel dafür dienen. Durch eingestreute Zeitungsberichte und schriftliche Eingaben an die Behörden wird der beabsichtigte Realitäts-Effekt noch verstärkt. Ned Kelly wird psychisch als weitgehend emotionsloser Typ dargestellt der außer seiner mit ihm ödipal verbundenen Mutter für die er wirklich alles tut niemanden vorbehaltlos liebt nicht mal seine Frau.

In der Frage ob Ned Kelly ein verabscheuungswürdiger skrupelloser Verbrecher ist oder eine Art selbstloser Freiheitskämpfer für die unterdrückte irische Minderheit nimmt der Autor deutlich die Position seines Ich-Erzählers ein. Er relativiert dessen Taten als moralisch vertretbar als eine durch den Unrechts-Staat selbst heraufbeschworene politische Revolution der sich ja auch viele Gleichgesinnte angeschlossen hätten er stilisiert ihn damit quasi als Opfer. Der mit seinem abenteuerlichen Geschehen an Western erinnernde Roman ist unterhaltsam und historisch bereichernd auch wenn er zuweilen satirisch überzeichnet scheint. Man könnte zum Beispiel die eisernen Rüstungen der Bande beim letzten Gefecht so deuten wird im Internet aber eines Besseren belehrt. Neds von Kugeln zerbeulter Schutzpanzer kann tatsächlich als Kultgegenstand in einem Gefängnis-Museum besichtigt werden.

Fazit: lesenswert
Meine Website: http://ortaia.de

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