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Vorübergehende

Roman

Von Michael Krüger


David Wunderer schrieb uns am 07.01.2019
Thema: Michael Krüger: Vorübergehende

Michael Krügers Welt

Ich glaube, die Lücke bleibt.
Novelle (13. Versuch, das kommunikationsästhetische Spannungsverhältnis darzustellen)

1
Es war ein Tag im November 2018. Der alte Michael Krüger hatte wieder einen Roman veröffentlicht. Wahrscheinlich wieder ein feinsinniges, wohlformuliertes, linksliberales, bildungsbürgerliches Elaborat. Diesen Abend, gerade eben, stellte er ihn in einer Lesung in der vollbesetzten Buchhandlung Lehmkuhl in München-Schwabing einem ältlichen Publikum (ein anderes hat er nicht) vor.
In seiner Heimat, Krüger hatte im münchner Norden, einen kurzen Fußweg von der Buchhandlung entfernt, seinen Arbeitgeber, den Carl Hanser Verlag, gehabt.
Der frostgrüne Neonschriftzug der Buchhandlung Lehmkuhl würde in einen finsteren, feuchtkalten Vorwinterabend strahlen.

2
Noch andere Menschen wohnten im münchner Norden. Einer, ungefähr Jahrgang Kehlmann, wie dieser in München Abitur gemacht, Schülerzeitung, sogar einmal eigene bescheidene literarische Ambitionen gehabt. Aber keinerlei Erfolg. Naja, Kehlmann Glück, er Unglück, es ist wie es ist. Heißt David.
Er fand am selben Abend: Ich muss einmal wieder raus, spazierengehen im weiteren Sinn. Unter Menschen gehen. Ich mache einen Abendspaziergang, und trinke dann ein, zwei, drei Bier in einer Kneipe, so bin ich nicht so allein. In einer Kneipe zwei Straßen weiter zu Michael Krügers Lesungsort.
Es gibt zweierlei Abende bei solchen nicht sehr häufigen Spaziergängen. Solche, an denen ihn jemand kennenlernen will, und solche an denen nicht. Wer David kennenlernen will, darf David kennenlernen. Wenn sie-er wissen will, was David macht, bekommt sie-er es meistens erzählt.

(Über sich selbst reden dürfen-müssen, ist exklusives Opferrecht, nicht die Regel. Dann ist es immer noch mitunter beschämend, aber wenigstens legitim).
Seit rund zehn Jahren machte er nichts anderes, und kann nichts anderes machen, als für umsonst zu erzählen, dass er mit einer demonstrativ gewalttätig und plakativ kriminell eingestellten, plärrend lauten funkbasierten Neurohypnose-, Hypnose- und Datenwaffe durch die Gegend geprügelt werde - in seiner Wohnung, außerhalb der EU.
Den ersten Brief Richtung Staat schrieb er 2006, geredet hatte er schon vorher ein bisschen. Aufgegeben, mit dem Staat zu kommunizieren, und die Sache zu publizieren begann er 2011/12. Hat auch immer ein paar Zettel mit seinen Buchdaten dabei, weil das ihm die Erzählung erleichtert, ihn, der überlastet, entlastet.
www.david-wunderer.de/img/SuIL2_Zettel_15prz.jpg
2006 wie heute war-ist er der Überzeugung, eine wahre Geschichte zu erzählen.
Irgendwann kommt auch wieder jemand anderes darauf, dass es eine wahre Geschichte ist - sein muss.
Aber sprich David bloß nicht auf Michael Krüger an (der gerade zwei Straßen weiter aus seinem neuen Roman liest):

3
Den dürfe er nicht mögen.  Krüger gehöre irgendwie zur Merkelbriefbande. Falsche Lauschangriffsdebatte.
Krüger ist als ehemaliger Verlagsleiter verantwortlich für Angriff auf die Freiheit des Autorenduos Juli Zeh und Ilija Trojanow , ursprünglich C. Hanser, heute dtv, und hat damit die Merkelbriefbande initialisiert. Angriff auf die Freiheit habe David nur angelesen, es sah aber als nichts anderes aus als referierte Zeitungsartikel.
Zeh-Trojanow seien oder waren die Köpfe der Merkelbriefbande, deren Aktivitäten bezüglich staatlicher Computerüberwachung im höchst auflagenstark verbreiteten Merkelbrief{FN1} gipfelte.
Die Merkelbriefbande: Paralleldebatte, primitiv. Kein gesellschaftlicher Nutzen. Diskutieren seit zehn Jahre ein einfaches Detail jedes Betriebssystems, den Port.
Primitiv und korrupt: Schickten die den Merkelbrief an einen ordentlichen Informatikstudenten ab drittes Semester (statt an die Merkel), der hätte es Ihnen erklärt, das hätte einen informationellen Mehrwert für die Gesellschaft gegeben. Die beiden enthaltenen juristischen Sachverhalte hätte der auch gleich noch verbessert.
Primitiv und korrupt: Hätte aber viel weniger Publicity gegeben. Um informationellen Mehrwert ging es wohl nicht, sondern um einen Werbehintergrund. Die wollten so oft wie möglich mit der Merkel zusammen in der Zeitung stehen. Die sehr ernstzunehmende Problematik wurde neben der Merkel  auch als Werbehintergrund benutzt.
Primitiv und korrupt: Die Gesellschaft ist (Die Leitmedien sind) mit der Diskussion meiner Sache zehn Jahre in Verzug. Die wurde immer durch diese primitive Pseudodebatte dieser Erfolgsautoren ersetzt - die schnell abhandelbar gewesen wäre.
Skrupellos und kriminell: Die lenkten erfolgreich und lenken von innenpolitischen Problemen, ach was, Skandalen, ab (mir und meiner Hypnosewaffengeschichte) - und schieben alles im Sachzusammenhang auf die USA.
David behauptet, er würde häufig in der Erstfassung seiner Texte automatisch Merkelbriefbande schreiben, schwäche das beim Redigieren dann zu Merkelbriefgruppe ab.
David wirft also unlauteres bis kriminelles bis mörderisches, und sehr erfolgreiches, inkompetentes Konkurrentengehacke und -gegockel vor. Aus Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und sonstwoher. Will aber in aller Regel nichts sagen.

4
Durch diese kommunikative Lücke entstehen, verdichtet beschrieben, zwei (linke) Parallelwelten im münchner Norden (und hoffentlich nicht nur dort). Die ältlichen, mehrheitlich linksliberalen, ahnungslosen guten Menschen, die bei Krüger in der Lesung sitzen, hier. Da die, die mich kennenlernen wollten, und durch meine Hypnosewaffenerzählung erschüttert werden.
Am nächsten Morgen haben alle Zuhörer wieder ihre eigenen Sorgen und ihre eigene Aufgabe in der arbeitsteiligen Gesellschaft. Ich glaube, die Lücke bleibt.

5
David könnte jederzeit etwas aggressiver und offensiver werden. Auf sein Fahrrad steigen, nach Schwabing radeln und eine Ein-Mann Demo machen. Irgendein Sample obigen Textes in der Nähe vom Lehmkuhl an einen Laternenpfahl hängen, und/ oder aus Prinzip irgend einen Text wie oben aufsagen. Dann würde sich kommunikativ wieder etwas verschieben.
Könnte auch anderweitig mehr reden: Nach zehn Jahren sozialer Isolation mal wieder versuchen, während eines Abendspaziergangs initiativ jemanden kennenzulernen.

6
Entdichtung:
Nicht wahr ist, dass ein Abendspaziergang am selben Abend stattgefunden hätte. Nicht wahr ist, dass in so einer Kneipe das Gespräch bis zu Michael Krüger oder der Merkelbriefbande je gereicht hätte. Das erst am Heimarbeitsplatz oder hypnosewaffenoktroyiert oder unter anderen Literaturinteressierten im Internet oder qua Pflichtabgabe.
Wahr über Davids/ meine Psyche ist im Unterschied zur Erzählung, dass ich ausweichen würde, wenn ich rechtzeitig erfahren würde, dass ein Mitglied der Merkelbriefgruppe im Lehmkuhl liest und ich gleichzeitig einen Abendspaziergang machen will. Ich würde den Abendspaziergang woanders hin, weiter weg verlegen.
Verachtung ist ein Gefühl (wie Liebe oder Hass) - alle sind manchmal irrational, gehören überprüft und revidiert - und manchmal gerechtfertigt.
Wahr sind die Spaziergänge: In Uni-Nähe lief mir mehrmals Lena Gorelik über den Weg. Die erkennt man sofort. Bisschen dick gewesen das letzte Mal.
Von dem Sektglas, das Jo Lendle, Krügers Nachfolger beim Carl Hanser Verlag, beim Nobelpreisdinner geklaut (die sind bestimmt abgezählt), und dann im Internet in einer Adventskalenderaktion verlost hat, habe ich vielleicht auch noch ein Bildschirmfoto in irgendwelchen Backups.

7 Epilog
Ich habe keine Zeile des besprochenen Buches gelesen. Ist bestimmt wieder ein Roman von der Stange, ein Schemaroman, wie das bei mir heißt. Lohnt wie jedesmal nicht.
Den Schaden hat die Literatur (Streeruwitz 2018 im Standard über das Bachmannpreiswettlesen).
Naja, ich darf die Merkelbriefgruppe so widerlich finden wie ich will.
Was für eine Literatur überhaupt noch?

Michael Krüger: Vorübergehende, ISBN 978-3709934388, Haymon.
vs.
Juli Zeh/ Ilija Trojanow: Angriff auf die Freiheit, ISBN 978-3423346023, dtv.
und
{FN1} Mit Merkelbrief ist die offene  Petition, von Juli Zeh und Ilija Trojanow initiiert, gemeint, die rund 50 deutschsprachige Autoren unterzeichnet hatten (bis hin zu Robert Menasse und Josef Haslinger), die damals von FAZ und Bild mit abgedruckt worden war und heute, 201812, immer noch auf change.org steht.
www.change.org/p/bundeskanzlerin-angela-merkel-angemessene-reaktion-auf-die-nsa-aff%C3%A4re

vs.
Marco Bsondermann (pseud.): Sie und Ihr Lauschangriff 2 (immer noch Neurohypnose-, Hypnose- und Datenwaffe), 298 Seiten (kein Großdruck), ISBN 9781326410117, 2015.
und
Marco Bsondermann (pseud.): Erpresserischer Stil und erpresserische Art in der deutschen Gegenwartsliteratur, Stichworte zur journalistischen Ethik, Zwei Broschüren sowie Verrisse, von Marco Bsondermann (pseud.), 68 Seiten (kein Großdruck), ISBN 978-0-244-02049-1, 2017.

P.S.: Krüger und sein Publikum für links zu erklären, ohne es so genau zu wissen, begründe ich so. Angemerkt, auch weil ich in letzter Zeit so viele Bayern-Klischees zur Kenntnis nehmen musste:
- Krüger wirkt bei Veranstaltungen wie diesen mit: So 27.1.19 // 17 Uhr // Saal (mit Pausen-Bar)/ Internationaler Holocaust Gedenktag/ Primo Levi: ›Ist das ein Mensch?‹
Ein Abend mit Maike Albath, Marco Belpoliti & Michael Krüger.

- Der Stimmkreis, in dem die Buchhandlung liegt und in dem ich, am anderen Ende, wohne, hat (trotz insgesamten Rechtsrucks) bei der LTW 2018 links gewählt, ~ 35% Grüne, 21% CSU, 13% SPD, 13% F.D.P., AfD, Freie Wähler, Linkspartei je 4-5%.
P.S.: Ich habe mich mit der Ansage, laut werden zu wollen in Richtung Fachwelt, hier angemeldet. Vier bis acht Aufsätze, dann bin ich wieder still.

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