Das eigene Leben verwendet

Zum 75. Geburtstag des Schriftstellers John Updike

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Von nachlassendem Arbeitseifer oder versiegender Kreativität kann bei John Updike nicht die Rede sein. Mehr als 20 Romane, unzählige Essaybände, Theaterstücke, Literaturkritiken, Gedichte und Sachbücher sogar über seine Steckenpferde Golf und bildende Kunst hat der oftmals als "Chronist des Mittelstandes" titulierte Autor verfasst.

In seinem 1990 unter dem Titel "Selbst-Bewußtsein" erschienenen Memoirenband ließ uns John Updike wissen, dass er wegen seiner "angeborenen" Schuppenflechte Schriftsteller geworden sei, "weil sie alle Berufe ausschloss, die ein repräsentables Äußeres verlangen - Geschäftsmann, Lehrer, Bänker oder Filmstar. Was blieb übrig?"

In diesem schonungslos entblößenden Buch offenbaren sich viele Parallelen zwischen Updikes Vita und seinem umfangreichen literarischen Werk. Nicht nur die Kleinstadt Shillington (Pennsylvania), in der Updike vor 75 Jahren als Sohn eines Lehrers und Pastors geboren wurde und die in seinen Romanen ein immer wiederkehrender Handlungsschauplatz ist, sondern auch viele andere Details deuten auf stärkere autobiografische Einflüsse hin als bisweilen vermutet wurde.

Als Kind hatte John Updike beispielsweise sehr schlechte Zähne; ein Charakteristikum, das seinem bekanntesten Protagonisten Harry Angstrom den weltbekannten Beinamen "Rabbit" eintrug. Jene Figur hat John Updike über fast vier Jahrzehnte literarisch gehegt und gepflegt - in seinen Romanen "Hasenherz", "Unter dem Astronautenmond", "Bessere Verhältnisse" und "Rabbit in Ruhe".

Der ehemalige Harvardstudent Updike beschreibt Angstroms Lebenslauf vom Basketballstar, über den einfachen Arbeiter bis hin zum wohlhabenden Autohändler. So ist es auch kein Zufall, dass Harry - analog zu Updike - nach einer Odyssee durch die Fremde am Ende ins Provinznest Shillington zurückkehrt. Für den Abschlussband seiner "Rabbit"-Tetralogie wurde Updike, der alljährlich als heißer Nobelpreisaspirant gehandelt wird, mit dem Pulitzer-Preis geehrt.

"Ich habe mein eigenes Leben und meine eigenen, begrenzten Erfahrungen ziemlich oft in Romanen verwendet", räumte John Updike vor fünf Jahren in einem Interview mit der "Welt" offen ein.

Der Schriftsteller lebt seit vielen Jahren zurückgezogen in Georgetown (Massachusetts) und liebt die Ruhe für seine künstlerische Arbeit: "Man kann nicht mitten auf der Straße ein Kunstwerk schaffen, aber man sollte wissen, was die Straße ist." Er bewunderte Saul Bellow und lehnt Tom Wolfe ziemlich kategorisch ab. Als Kritiker mischt er sich häufig ins literarische Leben ein, zur Tagespolitik bezieht Updike hingegen selten Stellung, wenn gleich er offen bekannte: "Ich bin zwar konservativ, aber kein Republikaner. Und ich hätte es lieber gesehen, wenn Al Gore Präsident geworden wäre."

Obwohl John Updike nicht häufig in Europa war, sieht er hier seine literarischen Vorbilder: "Ich konnte Hemingways Erfahrungen nicht für mich nutzbar machen, was mir aber bei Proust oder Cervantes oder Thomas Mann und vielen anderen europäischen Schriftstellern gelang."

Nach einer Reihe schwächerer Bücher ("Gegen Ende der Zeit", "Bech in Bedrängnis", "Golfträume") hat Updike in der "Hamlet"-Adaption "Gertrude und Claudius" (2002) und in dem kammerspielartigen "Sucht mein Angesicht" (2005) noch einmal zu alter Stärke zurückgefunden.

Seine beiden jüngsten Werke sind hingegen von der Kritik zwiespältig aufgenommen worden -- der arg schwülstige, mit Altmännerfantasien überfrachte Roman "Landleben" und sein zu sehr den öffentlichen politischen Diskussionen folgendes Erzählwerk "Terrorist" (beide 2006 erschienen), in dem ein zunächst unauffälliger junger Mann in die Fänge radikaler Islamisten gerät und zum potenziellen Selbstmordattentäter mutiert.

In seinen besten Romanen hat John Updike wie ein Seismograf auf die seelischen Erschütterungen der amerikanischen Mittelschicht reagiert und deren Existenzängste und die sexuellen Obsessionen der Nachkriegsgeneration aus der Provinz eindrucksvoll nachgezeichnet.