Gebete bei Ebay zu ersteigern

Woody Allen, der geniale Komiker, langweilt mit seinen Stories

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wir haben Gebete für die Gesundheit, für Liebesnöte, für die gewünschte Gehaltserhöhung, den neuen Lamborghini, für ein bisschen Regen, falls Sie Landwirt sind - und natürlich für die Pferdewetten, die Kombiwetten, aber unser Renner ist der hier: 'O himmlischer Vater, Herr der Heerscharen, lass mich für immer in Deinem Reich wohnen und ein einziges Mal in der Lotterie gewinnen - Herrgott, ja, und den Megaball-Jackpot.'" Moe Schindermaul, der "Gebetsjockey" hat kein Problem, sich für die Gebete religiöse Formulierungen einfallen zu lassen und sie dann meistbietend bei Ebay zu versteigern. Eigentlich ein Spontaneinfall, aber sehr erfolgreich. So sehr, dass er sich Mitarbeiter suchen musste. Einer von ihnen ist Hamish Specter, ein ehemaliger Gagschreiber für's Fernsehen.

Eine Garantie für die Erfüllung der Gebete erteilt Schindermaul natürlich nicht: "Nein, bei uns gibt es kein Geld zurück. Lesen Sie das Kleingedruckte in unserer Gebetsauftragsbestätigung. Da sind unsere und Seine Verbindlichkeiten aufgeführt. Sie bekommen aber von uns einen kostenlosen Segen zugesandt, und wenn Sie zur Lobster Grotto auf dem Queens Boulevard gehen und sagen, Gott hat Sie geschickt, kriegen Sie einen Gratiscocktail."

Alles läuft gut. Bis eines Tages "zwei dunkelhäutige Herren mit guten Beziehungen zum sizilianischen Zementhandel" ins Büro kommen. Sie sind nicht ganz zufrieden mit dem Gebetsschreiber und geben ihm den freundlichen und wohlgemeinten Rat, dass sein Gebet um eine Wohnung an der "Ecke Park und 72nd" für ihre Schwester besser erfüllt wird: "Andernfalls verschicken wir Ihre Arme und Beine getrennt an vier verschiedene Adressen." Da verschwindet der Gag- und Gebetsschreiber doch lieber nach Tierra del Fuego.

Woody Allen ist ein Phänomen. Seit 1962 dreht und schreibt er Filme, ungefähr jedes Jahr einen, und spielt häufig sogar die Hauptrolle. Es waren Meisterwerke wie "Annie Hall" und "Manhattan" darunter: Einundzwanzig Mal wurde er für den Oscar nominiert, drei Mal hat er ihn bekommen. Auch Kurzgeschichten hat er immer wieder veröffentlicht, die letzten 1980. Lange musste die Fangemeinde warten, bis ihre Gebete - wahrscheinlich nicht bei Ebay ersteigert - erhört wurden: Mit "Pure Anarchie" gibt es jetzt wieder einen schmalen Sammelband.

Leider muss man sagen, dass ihm der kurze Atem nicht steht. Natürlich, es sind ganz nette Gags darunter. Wie der über die Gebetskäufer bei Ebay und den sizilianischen Zementhandel, den man in einem seiner Filme kurz belachen würde. Es sind auch recht gute Einfälle darunter. Wie in seiner Geschichte von Klein-Mischa, der es nicht in den exklusiven Kindergarten schafft und damit die Existenz der ganzen Familie vernichtet. Denn was würden die Kollegen sagen? Sein Vater Boris Ivanovich hört sie schon: "Bauklötzchenscheu? Das lässt auf schwere seelische Probleme schließen." Und so ist es dann auch: Schnell hat sich die Absage herumgesprochen, "ein toter Hase lag auf seinem Schreibtisch". Und natürlich wird Mischa später keine Chance auf einen Platz an einer renommierten Universität haben, sondern kann nur noch auf eine Friseurschule.

Aber das meiste in Woody Allens Geschichtensammlung ist eher von dem Brachialhumor seiner frühen Filme "Der Schläfer" oder "Die letzte Nacht des Boris Gruschenko". Weit entfernt von dem melancholischen, wohldosierten Charme seiner filmischen Meisterwerke gibt er sich jedem Einfall hin, der ihm über den Weg läuft, und macht eine Geschichte aus jeder kleinen Zeitungsnotiz. So verwurstet er die Story vom "Malteser Falken" zu einer abstrusen Geschichte um einen Detektiv und die Ersteigerung eines millionenteuren Trüffels für die "Sahneschnitte" April Sinnenrausch, die ihn warnt, weil ein texanischer Ölmensch einst eine teure Gänseleberpastete kaufte und dafür von einem rumänischen Grafen ermordet wurde, der die Pastete der Großherzogin von Estonien zu Füßen legte. Am Schluss ist natürlich "die Sahneschnitte" die Böse.

Allen erzählt von Micky-Maus, der als Zeuge in einem Abfindungsprozess gegen den Disney-Konzern aussagen muss, von einem Hobby-Physiker, der seine Annäherungsversuche an eine neue Kollegin mit der Wellentheorie erklärt, vom "Diätbuch" Friedrich Nietzsches, in dem er erklärt: "Also aß Zarathustra", von duftenden Kleidungsstücken und einem erfolglosen Schauspieler und Lichtdouble, der statt des Stars entführt wird.

Leider beherrscht Allen stilistisch die Kunst der Andeutung, die er in manchen Filmen so schön zelebriert, in seinen Stories überhaupt nicht. Er schreibt überdeutlich und ohne jede Leichtigkeit, trägt dick auf, bleibt oberflächlich und hangelt sich zu oft von einem unnötigen Gag zum Nächsten - schnell gehen sie einem auf die Nerven. Zudem kennt er im Grunde nur zwei Stile: den der harten, schnoddrigen, aber auch sentimentalen Detektivgeschichte, und den Jargon des leicht zynischen Künstlermilieus, die mit intellektuellen Versatzstücken um sich werfen, Nullaussagen von sich geben, Small-talk-Schablonen ohne Sinn, ohne Menschlichkeit, ohne wahres Gefühl. So wird sein Buch mit Erzählungen sehr schnell langweilig. Und das ist doch immer noch das Schlimmste, was man über einen Autor, gar über einen Komiker sagen kann.


Titelbild

Woody Allen: Pure Anarchie. Stories.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Malte Krutzsch.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2007.
188 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783036955049

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