Auf eine Zigarette mit Detlef Kuhlbrodt

Von Gesprächen mit Igeln und anderen alltäglichen Kuriositäten

Von Katrin RitteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katrin Ritte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Detlef Kuhlbrodts "Berliner Szenen" sind vielen Lesern schon aus der "taz" bekannt. Das kleine Suhrkamp-Bändchen "Morgens leicht, später laut" fasst sie nun erstmals nach Jahreszeiten geordnet in Buchform zusammen und führt uns so Monat für Monat durch das Jahr. "Die Szenen sollten ein Alltagsfenster sein mit kleinen Beobachtungen", so beschreibt Kuhlbrodt das Konzept im Nachwort - und genau das sind sie auch. "Singles", wie er sie selbst nennt: Jede Geschichte steht für sich. Hier werden leise Stimmungen auf kürzestem Raum vermittelt und Kuhlbrodt folgt dabei seinem selbst auferlegten Ziel: "Ich fühlte mich als Dokumentarist. Ich war irgendwo und schrieb dann was auf. Alles sollte wirklich und nichts erfunden sein." So bewegt er sich durch den Alltag und schildert seine kleinen Beobachtungen höhepunkts- und schnörkellos mit ruhiger Stimme.

Dabei sind die Geschichten kurz, knapp 1.800 Zeichen eine jede, vielleicht sogar ein wenig zu kurz. Nicht einmal Zeit genug hat man da, während des Lesens eine Zigarette zu rauchen - aber genug Zeit, danach rauchend aus dem Fenster zu schauen und der Geschichte nachzuhängen. Denn man möchte kurz verharren in dieser kleinen Welt. Man kann nicht einfach gleich weiter lesen.

Kuhlbrodt nimmt uns mit auf seine Streifzüge durch Berlin und erzählt vom Flippern und vom Bier trinken, vom Schreiben, Lesen und von merkwürdigen Begegnungen mit Alt-Hippies und Männern in Hasenkostümen. Er weckt die Sehnsucht nach dieser Stadt und ihren Bewohnern, aber noch viel mehr danach, einfach rauszugehen, durch die Straßen zu schlendern und dort seine eigenen besonderen Momente zu erleben. Man möchte in der Nacht spazierengehen, um mit Igeln zu reden, denn es "stimmt einen immer recht wehmütig, in der Nacht mit Igeln zu sprechen. Wenn man mit freien Tieren in der Stadt spricht, mit Vögeln im Blumenkasten etwa, hat man irgendwie auch immer so ein Gefühl, als wären sie Abgesandte geheimer oder vergessener Freunde aus diesem oder jenem Leben. Deshalb begegnet man ihnen höflich und redet auch mit ihnen. Dabei kommt man sich eher kindlich als komisch vor."

Kuhlbrodts "Singles" wollen nicht anspruchsvoll sein. Aber sie sind sensibel erzählt und hinterlassen trotz der schlichten Sprache und Inhalte einen bleibenden Eindruck.

Bei all diesen leisen Geschichten fragt man sich vielleicht, wo sich wohl das Laute verberge, das der Titel verspricht. Ich für meinen Teil habe es nicht gefunden. Allerdings habe ich es auch nicht vermisst.

Es ist zwar schön, diese warmen und leisen Alltagsbetrachtungen zu lesen, aber es ist noch viel schöner, sich einfach selbst umzuschauen und die Augen offen zu halten für all die Absonderlichkeiten um einen herum. Und vielleicht ist es auch genau das, was Kuhlbrodt mit seinen Szenen beim Leser erreichen will: Ihm die Augen öffnen für die geheimen und doch so offensichtlichen Geschichten des Alltags.


Titelbild

Detlef Kuhlbrodt: Morgens leicht, später laut. Singles.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
126 Seiten, 8,00 EUR.
ISBN-13: 9783518125175

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