Wie ein Megastar unschuldig in den Tod getrieben wurde

Über Ian Halperins „Fakten-Thriller“ „Unmasked – Die letzten Jahre des Michael Jackson“

Von Thorsten SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thorsten Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

 

Das Genie Michael Jackson, einer der sensibelsten und zugleich exzentrischsten Künstler der Welt, stand immer im Rampenlicht. Von seinem Vater als Kind auf die Bühne geprügelt, lebte der eigentlich schüchterne Sänger ein Leben in der Öffentlichkeit. Amerika liebt spektakuläre und tragische Geschichten wie die Biografien von Elvis Presley, Heath Ledger und nun Michael Jackson. Der King of Pop zerbrach letztlich an der Medienhetze und dem Druck, der auf seinen Schultern lastete. Michael Jackson war die vielleicht letzte Berühmtheit der Welt, die eben jene in kollektive Verzückung und Bestürzung treiben konnte. Nach seinem Tod versuchen nun viele, von diesem zu profitieren. Mehrere Bücher sind in den letzten Wochen erschienen und sie alle versprechen, die Wahrheit über das Leben Jacksons zu beinhalten. Das erste Buch auf dem Markt war ein vom Verlag „Hoffmann und Campe“ als „Fakten-Thriller“ beschriebener Recherchebericht des Skandaljournalisten Ian Halperin.

Halperin, der dem Milieu von Paparazzi und Prominentenjägern zugeordnet werden kann, hatte sich im Juni 2005 vorgenommen, zu beweisen, dass Michael Jackson sich an Kindern verging. Er war entsetzt, dass der Star auch im zweiten großen Prozess freigesprochen worden war. Mit großem Aufwand drang er in das Umfeld des Sängers ein, gab sich mal als Fotograf, mal als Friseur aus und reiste zu Terminen. Halperin beschreibt in seinem Buch stolz und genau seine verdeckten Recherchen, wann er sich mit wem getroffen und wo er welche Dokumente gefunden hat.

Der Untertitel des Buches „Die letzten Jahre des Michael Jackson“ ist daher irreführend, denn eine Biografie ist es nicht. Ausführlich wird aus den Prozessen und Protokollen berichtet, Zeugen kommen zu Wort, Interviews sind abgedruckt. Halperin versteigt sich immer wieder in Details und offenbart dabei sein wahres Ziel: Er möchte Michael Jackson nicht porträtieren, sondern den Voyeurismus seiner Leser befriedigen, in dem er unappetitliche Details der Zeugenaussagen verschiedener Ankläger zitiert. Die erste Hälfte des Buches befasst sich mit der Suche nach Beweisen für die Perversitäten eines vermeintlichen Kinderschänders. Doch Halperin findet immer mehr Unstimmigkeiten: „Polizisten redeten Kindern ein, sie seien von dem Sänger sexuell belästigt worden.“ Niemand habe das Schweigen von etwaigen Opfern erkauft. Entlassene Leibwächter verstricken sich in Lügen, Kindermädchen gestehen Falschaussagen unter Eid. Halperin kommt zu dem Schluss, Jackson sei tatsächlich unschuldig und Opfer einer Hetzjagd des Bezirksstaatsanwalts Tom Sneddon. Die zweite Hälfte des Buches wird daher zu einer vehementen und fundierten Verteidigung Jacksons.

Halperin erregte Aufmerksamkeit mit seiner kurz vor Weihnachten 2008 aufgestellten Vermutung, Jackson würde innerhalb der nächsten sechs Monate sterben. Als sich diese Prophezeiung bewahrheitete, war es uninteressant, dass keineswegs eine Lungenerkrankung den Tod verursachte. Schnell musste „Unmasked“ erscheinen, denn Halperin und seine angebliche Hellsichtigkeit standen plötzlich im Mittelpunkt vieler Gazetten. Die Schnelligkeit der Arbeit an dem Buch zog einige Ungenauigkeiten und Fehler nach sich. Es ist in Kapitel unterteilt, die wie schlechte, einzelne Artikel in einer Boulevardzeitung wirken. Von Kapitel zu Kapitel werden ganze Abschnitte wiederholt, als wenn sich der Leser nach wenigen Sätzen nicht mehr erinnert, wer Diane Dimond, die „Hard Copy“-Journalistin, ist. Sie wird mehrmals ausführlich vorgestellt. Ebenso werden die Aussagen Jordan Chandlers gleich mehrfach abgedruckt.

Ein sprachliches Meisterwerk ist „Unmasked“ ganz sicher nicht. Das sollte es aber auch gar nicht werden. „Unmasked“ eroberte im August vorübergehend die Bestsellerlisten der „New York Times“ und der „Los Angeles Times“, wurde aber von beiden Zeitungen nicht besprochen.

Wer den Prozess 2005 verfolgt hat, wird in „Unmasked“ nichts Neues finden, wer noch immer an der Unschuld von Michael Jackson zweifelt, sich selbst ein Bild machen möchte und an den Details der Urteilsbegründung interessiert ist, findet in dem Buch eine brauchbare Zusammenfassung. Das höhere Ziel seiner verdeckten Recherche war die authentische Beschreibung abscheulicher Dinge, doch Halperin scheiterte und er konnte nichts Verwerfliches finden. Michael-Jackson-Fans werden „Unmasked“ daher mit Genugtuung lesen. Halperin hat sich rasch der Suche nach neuen „Skandalen“ zugewandt. Er veröffentlicht in Kürze ein weiteres Buch. Es beschäftigt sich mit der Beziehung von Brad Pitt und Angelina Jolie: Halperin behauptet, sie seien gar nicht verliebt.

Titelbild

Ian Halperin: Unmasked. die letzten Jahre des Michael Jackson.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009.
316 Seiten, 17,99 EUR.
ISBN-13: 9783455501421

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