Tödliches Mobbing

Über Kathy Reichs neuen Forensik-Thriller „Das Grab ist erst der Anfang“

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Roman beginnt spannend, der Leser ist sofort mitten im Geschehen: Die Protagonistin, die Forensikerin Temperance Brennan, ist an einem unbekannten Ort eingeschlossen. Ob in einem Sarg oder einem Verließ, der Leser weiß es nicht genau – und die Protagonistin auch nicht. Man erlebt den langsamen Bewusstwerdungsprozess des Opfers in einer ausweglosen Situation. Sukzessive wird Brennan klar, eingeschlossen zu sein und nicht zu wissen, wie es dazu diesem Zustand gekommen ist. Ihre Panik hält hier das Gleichgewicht mit aufgeklärter Situationsanalyse. Aber vor allem beginnt hier die über den ganzen Roman anhaltende Spannung, die den Leser durch die Seiten hasten lässt.

Im Unterschied zu dem 2008 erschienenen Roman „Der Tod kommt wie gerufen“, der in weiten Teilen recht unspannende „forensische Erörterungen“ enthielt, konzentriert sich die Handlung dieses Mal auf Unregelmäßigkeiten im pathologischen Institut von Tempe. Sie gerät an eine ihr nicht wohlgesinnte Person, die alles daran setzt, die fachliche Qualifikation der Gerichtsmedizinerin zu diskreditieren. Als diese „Angriffe“ persönlicher werden und in Gewalt umschlagen, scheint es fast zu spät zu sein – und so findet sich der Leser fast wieder in der oben beschriebenen Eingangsszene wieder, aber eben nur fast.

„Das Grab ist erst der Anfang“ verbindet alle gute Eigenschaften eines spannenden Kriminalstücks. Hinzu kommt die überaus beliebte Thematik der „Forensik“ – und fertig ist ein lesenswertes Stück Kriminalliteratur. Dabei vergisst Reichs auch nicht die nötige Portion Humor, die in dem Spannungsverhältnis von Brennan und ihrem Antagonisten Ryan exemplifiziert wird: „Ryan parkte an einer Stelle, wo es nur zwischen April und August an jedem zweiten Mittwoch zwischen zwei Uhr vierzehn und vier Uhr siebenundzwanzig nachts erlaubt war. Für Feuerwehrleute und Freimaurer. Oder so etwas in der Richtung.“ Ebenso findet man Anmerkungen zum gesellschaftlichen Kontext: „Ich dachte über Mord im Allgemeinen nach. Mit jedem Jahr schien die Gewalt an Häufigkeit zu- und an Nachvollziehbarkeit abzunehmen. Leute wurden erschossen, weil sie Kündigungen verschickten oder weil sie zu lange brauchten, um Burger in Tüten zu packen, weil sie zu langsam fuhren oder zu dicht auffuhren.“ So soll es sein. Kathy Reichs ist noch eine ganze Reihe solcher „glücklichen Würfe“ zu wünschen.

Titelbild

Kathy Reichs: Das Grab ist erst der Anfang.
Blessing Verlag, München 2009.
384 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783896673237

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