Gelassener, aber doch kritisch

Zum 70. Geburtstag der Schriftstellerin Monika Maron

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

„Ich wollte eigentlich keinen Roman über die Umweltzerstörung schreiben, sondern vor allem erzählen, was passiert, wenn jemand, in diesem Fall eine Journalistin, das tut, was sie für richtig hält: die Wahrheit zu schreiben“, erklärte die Schriftstellerin Monika Maron vor zwei Jahren in einem „Spiegel“-Interview über das Entstehen ihres in der damaligen DDR verbotenen Romans „Flugasche“ (1981).

Als Stieftochter des Innenministers Karl Maron hatte sie zunächst beste Karrierevoraussetzungen. Doch nach ihrem nicht ganz freiwillligen Engagement in der FDJ, einem Jahr Arbeit als Fräserin, einem Studium der Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften und einem kurzen Intermezzo als Regieassistentin beim DDR-Fernsehen entschied sich Maron für eine Existenz außerhalb des reglementierten Systems und wurde Journalistin und Schriftstellerin.

Nachdem sie in „Flugasche“ die Umweltsünden rund um den Bitterfelder Braunkohletagebau angeprangert hatte, war die vor 70 Jahren in Berlin geborene Autorin rasch zu einer Art persona non grata geworden, und auch ihr zweiter Roman „Die Überläuferin“ (1986) konnte im Osten Deutschlands erst nach der „Wende“ erscheinen. Die im Westen gefeierte Autorin war für die DDR nicht mehr tragbar, und so wurde ihr 1988 die Ausreise in die Bundesrepublik gestattet.

„Natürlich kann ich nicht sagen, mein Leben fängt erst 1990 an, aber es ordnet sich um einen anderen Mittelpunkt, und die Fragen stellen sich anders. Ich hätte ,Pawels Briefe‘ nicht schreiben können, solange es die DDR noch gab“, bekennt die Schriftstellerin Maron, die im Rückblick auf ihr eigenes Leben von einer „gemischten Biografie“ spricht. Deutsch-deutsche Grenzgänge im geografischen wie im politischen Sinn spiegeln sich nachhaltig in Leben und Werk der Kleist- und Hölderlin-Preisträgerin.

Anders als viele ihrer Weggefährten hat sich die im Berliner Stadtteil Schöneberg lebende Autorin allerdings nicht ideologisch vereinnahmen und zur pauschalen Abrechnung mit der DDR oder zu einer unreflektierten Sozialismusschelte hinreißen lassen. Die künstlerische Auseinandersetzung mit ihrer „gemischten Biografie“ setzte sich auch nach dem Mauerfall fort – mit den Romanen „Stille Zeile sechs“ (1991) und „Pawels Briefe“ (1999), die trotz ihres autobiografischen Fundaments exemplarischen Charakter für die in der DDR aufgewachsene Generation der „Kriegskinder“ hatten.

Ihre besten Werke gelangen Maron, die zuletzt mit dem Deutschen Nationalpreis (2009) und dem Lessing-Preis (2011) ausgezeichnet worden ist, wenn sie sich der Fesseln der eigenen Vita und der deutsch-deutschen Politik entledigte und tief in das Innere ihrer Figuren blickte. In „Animal triste“ (1996) erzählt sie auf eindrucksvolle Weise von der unglücklichen Liebe einer Paläontologin, die das Bewusstsein verliert und in einem komatösen Zustand den eigenen Tod vor Augen hat.

Mit dem Problem des Älterwerdens setzte sie sich auch in ihren beiden letzten Romanen „Endmoränen“ (2002) und „Ach Glück“ (2007) auseinander. Protagonistin in beiden Werken ist Johanna Märtin, die sich zunächst vor der „öden langen Restzeit“ fürchtet, mit einem jungen Kunsthändler noch einmal das Aufflackern körperlicher Begierden erlebt und dann im zweiten Roman auf einer Reise nach Mexico Vitalität und Lebenslust tankt.

Mit der positiveren Grundstimmung ihrer Hauptfigur hat sich in „Ach Glück“ auch Marons Tonfall gegenüber „Endmoränen“ verändert. Die Sätze scheinen ihr flüssiger aus der Feder geflossen zu sein, dem Phänomen des Alterns begegnete sie mit einem Augenzwinkern. Stattdessen stellt sich eine wohltuende Mischung aus Gelassenheit und kritischer Selbstbeobachtung ein, die auch ihren letzten Band „Bitterfelder Bogen“ (2009) charakterisiert, in dem sie vehement gegen die „Früher-war-alles-besser-Mentalität“ angeschrieben hat.