Gut, aber nicht vollkommen

Der Mainzer Historiker Josef Johannes Schmid dokumentiert rund 300 Persönlichkeiten aus dem Umfeld Friedrichs des Großen in einem gut strukturierten Personenlexikon

Von Michael EschmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Eschmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Lexikon ist ein Handbuch, das einen schnellen und repräsentativen Überblick geben soll. Es ist deshalb vor allen Dingen ein Gebrauchsbuch, das man immer wieder zur Hand nimmt, darin nachschlägt, Anregungen aufgreift und etwaige Literaturhinweise zur weiteren Forschung als Hilfsmittel mitnimmt. Ein solches Buch wird unweigerlich, durch einen häufigen Gebrauch, Abnutzungserscheinungen im Einband aufweisen. Der hier vorliegende kartonierte Bucheinband wird eines Tages Bekanntschaft mit einem Buchbinder machen müssen.

Aber es geht bei Büchern – zumal bei Lexika – ja weniger um die Aufmachung, als um den Inhalt. Und so gesehen schließt das Buch eine wichtige Lücke: Bei der Auswahl der Personen wurden folgende Kategorien berücksichtigt: Die gesamte königliche Familie; die führenden Politiker des friderizianischen Preußens; alle Souveräne Europas während der Regierungszeit des Königs; das persönliche Umfeld des Königs; bildende Künstler, all jene, deren Wirkung im friderizianischen Preußen, vornehmlich zu Berlin und Potsdam, stattfand; Militärs; Persönlichkeiten des friderizianischen Geistesleben in Preußen auf allen Gebieten, welche mit dieser Epoche untrennbar verbunden sind. Zusätzlich wurden auch noch „Einzelphänomene“ berücksichtigt, also Personen, deren Bekanntheitsgrad eine Aufnahme rechtfertigten.

Mit dieser letzten Gattung beginnt die Kritik: Merkwürdigerweise fehlt die Person Friedrich Freiherr von der Trenck (1726-1794), preußischer Offizier und Abenteurer, aber auch Literat und Gegner Friedrichs des Großen. Trenck, der in seinen Memoiren behauptete, ein Liebesverhältnis mit der Schwester Friedrichs des Großen, Anna Amalia (1723-1787), gehabt zu haben, würde gleich mehrere Aufnahmekriterien erfüllen: Er war preußischer Offizier, er gehörte zu jenen Persönlichkeiten die – wenn auch negativ – das Erscheinungsbild Friedrichs des Großen in der Öffentlichkeit prägten und zu guter Letzt kann man ihn durchaus als tragisches „Einzelphänomen“ bezeichnen, das stets nach Freiheit strebte und ironischerweise ein Opfer der Französischen Revolution wurde. Keine Rolle hingegen spielt, ob seine Liebesbeziehung ein von ihm selbst inszenierter „Fake“ gewesen war, oder eben nicht. Und selbst wenn es eine literarische Erfindung war, was jedoch seit 2008 durch einen neu entdeckten Brief Trencks bezweifelt wird, ist sein Name mit dem von Friedrich des Großen schicksalhaft verbunden. Beide irren seltsam verknüpft, seit über 226 Jahren, durch die preußische Kulturgeschichte: Unzählige Romane und Verfilmungen geben Literaten und Filmregisseuren immer wieder erneuten Anlass, diese unglückliche Liebe zwischen dem preußischen Offizier und der jüngsten Schwester Friedrichs des Großen, darzustellen.

Ein anderer Abenteurer, Giacomo Casanova (1725-1798), obwohl nur zweimal kurz zu Gast am Hofe von Sanssouci, fand hingegen Aufnahme in das vorliegende Lexikon. Spätestens hier fragt man sich, welche Auswahlkriterien „relevant“ sind und welche nicht. Jeder Eintrag versucht auch den Geburts- und Sterbeort zu nennen. Dies ist sehr begrüßenswert, jedoch ließen sich nicht immer alle Daten (noch) ermitteln. Um beim Beispiel Casanova zu bleiben: Der Sterbeort Duchcov liegt im heutigen Tschechien, einst hieß er deutsch nur Dux. Mit dieser deutsch-böhmischen Bezeichnung ging er in die Forschungsliteratur ein. So lobenswert es ist, Ortsnamen (politisch) zu aktualisieren, so unverständlich erscheint die Unterschlagung des historisch alten Namens. Auch Casanovas „Künstlername“, „Chevalier de Seingalt“, er hatte sich 1759 selbst geadelt, fehlt. Eine kleine Stilblüte ist der folgende Satz: „Nur bei FdG zu Potsdam erlitt er eine Abfuhr, dessen Angebot zur Leitung einer Landakademie für pommersche Adelige lehnte er ab.“ Nicht Casanova bekam eine Abfuhr, denn dieser hätte die Anstellung haben können, sondern Friedrich der Große!

Das Lexikon ist augenfreundlich gedruckt. Ein harmonischer, nicht zu kleiner Satzspiegel, wird viele Leser erfreuen. Lobenswert sind zwei unterschiedlichen Register: Ein Generalindex aller im vorliegenden Band erwähnten Personen und ein systematisches Register der Namenseinträge nach Betreffen (Dynastien, Land, Beruf et cetera.) geordnet. Gerade letzteres wird eine wertvolle Hilfestellung bei der Recherche zu Friedrich dem Großen und bestimmten eingegrenzten Themen wie etwa Medizin sein. So genügt ein Blick in das Verzeichnis, und man weiß sofort, dass es exakt sieben Personen waren, die die Stellung eines Leibarztes inne hatten. Die hier angesprochenen kleineren Mängel lassen sich leicht in einer zweiten Auflage korrigieren.

Titelbild

Josef Schmid: Friedrich der Große. Das Personenlexikon.
Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2012.
384 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783805343671

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