Der Robin Hood von Florida

Carl Hiaasen ist auch mit „Sternchenhimmel“ in Hochform

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Gouverneur von Florida ist wieder da. Das heißt, er war mal Gouverneur, für eine kurze Zeit. Dann hat er begriffen, was für ein Unsinn das ist, wie korrupt alle um ihn herum sind, und ist ausgeflippt. Er ist spurlos verschwunden und wohnt jetzt mitten im Sumpf. Ernährt sich von Totgefahrenem und überfällt von Zeit zu Zeit die Bösen dieser Welt, die sich trauen, durch Florida zu fahren. Gerne sind das Rechtsanwälte, Politiker oder Immobiliengangster, die versuchen, noch das letzte Stück richtige Natur zu verschandeln, um ihren Profit zu machen. Töten muss der Gouverneur sie meistens nicht, meist reicht schon seine Erscheinung – vor allem, wenn er eine abgesägte Schrotflinte in den Händen hält. Und auf die eine oder andere Art macht er ihnen immer derart Angst, dass sie auf diesen Profit verzichten. Und ihn dann wahrscheinlich woanders machen.

Der Gouverneur ist Serienheld in einer Reihe von amüsanten Kriminalromanen von Carl Hiaasen, die alle in Florida spielen, wo sein Erfinder Carl Hiaasen einmal als Reporter gearbeitet hat. Der neueste, „Sternchenhimmel“, führt in die Welt der Medien, Hauptfiguren sind unter anderem das Popsternchen Cherry Pye, ständig bekifft, betrunken oder schlimmer; ihr Body-Double Ann DeLusia, eine unbekannte Schauspielerin, die das Pech hat, dass sie Cherry ein bisschen ähnlich sieht – der Rest wird mit Makeup und Frisuren hingebogen; der ehemalige Strafgefangene Blondell Wayne Tatum alias Chemo, der als neuer Bodyguard das Pech hat, dass er helfen soll, Cherry vor dem Absturz zu bewahren; und der ziemlich glücklose Paparazzo Claude „Bang“ Abbott, der auch kurz vor dem Abgrund steht und hofft, dass er doch noch einmal groß rauskommt.

Die Handlung ist wie immer bei Hiaasen ziemlich krude und rangiert manchmal ziemlich nahe an der Unwahrscheinlichkeitsgrenze, aber das macht bei Hiaassen überhaupt nichts. Zwei Sachen stehten bei ihm und seinen zahlreichen Fans im Vordergrund: die mitunter sehr heftige Kritik an der amerikanischen Gesellschaft und vor allem an der Korruptheit, an der auch der Gouverneur gescheitert ist. Und der enorme Spaß und Wortwitz, den Hiaasen aus den oft mehr als skurrilen Charakteren zieht.

So auch hier: Cherry ist eine hohle Nuss, die nicht einmal singen kann, soll ihre neue Platte promoten und damit sich, ihre Eltern und ihren Manager vor dem finanziellen Aus bewahren. Das einzige, was sie selbst interessiert, sind die Drogen und der Sex, mit wem auch immer. Irgendwann lässt sie sich im Vollrausch ein unglaublich peinliches Tattoo stechen, und nie merkt sie auch nur ansatzweise, dass sie sich selbst zugrunde richtet und von ihrer geldgierigen Umwelt auch zugrunde richten lässt. Sie merkt nicht einmal, dass sie ein Body-Double hat, weil ihr nie aufgeht, dass sie fotografiert wurde, wo sie nie gewesen ist.

Dann ist da Chemo, der in Hiaasens Roman „Unter die Haut“ ins Gefängnis kam, nachdem ihm ein Barrakuda ein Stück seines Arms weggebissen hatte – stattdessen hat er jetzt einen Rasentrimmer, was ihn auch nicht viel weniger bedrohlich macht. Dabei ist er fast der einzige, der diese ziemlich abstruse Geschichte durchschaut und sogar dem Liebespaar Ann und dem Gouverneur hilft. Natürlich nicht ohne auch daran zu verdienen. Für Cherry hat er nur Verachtung übrig: „Dem Bodyguard war klar, dass er jetzt ein persönliches Interesse daran hatte, dafür zu sorgen, dass diese dauerbekiffte Dummtorte zumindest die nächsten zwei Monate weiteratmete.“

Und auch die anderen Personen stehen dem in nichts nach. Nicht der Paparazzo, der Ann entführt, und als Lösegeld ein Fotoshooting mit Cherry verlangt, weil er meint, dass er mit künstlerischen Fotos einst der Star aller Fotografen sein wird. Auch nicht die beiden Schwestern, die PR für Cherry machen und vor lauter Botox das Gesicht nicht einmal zu einem Lächeln verziehen können.

Die Handlung nachzuerzählen, ist bei Hiaasen also mehr oder weniger sinnlos. Denn die bildet doch nur den normalen Wahnsinn und in diesem Fall die noch viel wahnsinnigere Welt der Stars und Sternchen ab. Seltsamerweise sind alle Figuren bei Hiaasen, so abstrus und überzogen sie auch daherkommen, immer noch glaubwürdig, und selbst den irrwitzigsten Schlenker in der Story nimmt man ihm noch ab.

Titelbild

Carl Hiaasen: Sternchenhimmel. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Marie Luise Bezzenberger.
Goldmann Verlag, München 2012.
400 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783442546930

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