Pfannkuchengesicht

Über Ralf Königs „Elftausend Jungfrauen“

Von Jasmin M. HlatkyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jasmin M. Hlatky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Grunde hätte man es kommen sehen können – bereits mit „Lysistrata“ hatte Ralf König seine Freude an der im wahrsten Sinne lustvollen Umgestaltung eines klassischen Stoffes unter Beweis gestellt, und schon damals verlieh er der griechischen Geschichte seine persönliche Note. Etwas später bearbeitete er mit „Prototyp“, „Archetyp“ und „Antityp“ mal eben die biblische Geschichte, ebenfalls wieder eigenwillig und witzig.

Nun hat sich der mehrfach preisgekrönte Comiczeichner also die Legende der heiligen Ursula und der elftausend Jungfrauen vorgenommen, neben den Heiligen drei Königen wohl die wichtigste Reliquie und überdies Schutzpatronin der heiligen Stadt Köln. Es scheint ein konsequenter Weg von den ersten „Schwulcomix“ in den 1980er-Jahren hin zur Lieblingslegende jener Stadt, die im Grunde ein wenig die schwule Hauptstadt dieses Landes ist, und in der Tat ist vieles im Schaffen des Autors gleich geblieben: Überall Knollennasen, behaarte Kerle und niedere Gelüste.

Auch den Heiligen Sebastian konnte man bei dieser Gelegenheit natürlich nicht unabgebildet lassen. Mal abgesehen von einigen weiteren Stereotypen (Flagellantentum ist im Grunde Sado-Masochismus, Mönche sind latent homosexuell und der Papst ist ein Lustgreis) hat diese Ursula-Legende einiges zu bieten: In groben Zügen folgt Ralf König mit seiner Version tatsächlich der Erzählweise, wie sie die Legenda Aurea aufweist, nur erlaubt er sich eben – ganz im Einklang mit der Legendentradition – hier und da einige auktioriale Eingriffe. So sieht etwa der Engel, der Ursula das Martyrium verkündet, etwas unrasierter aus als man sich Engel der Verkündigung im Allgemeinen vorstellen mag, der britannische Königssohn Aetherius möchte Ursula vielleicht doch nicht so dringend zur Frau und die Hunnen sind gar keine. Und unterwegs beachte man bitte das „Klosterhotel zum Spitzenhöschen“ und das unausweichliche Düsseldorf-Bashing. Die Absichten der elftausend Jungfrauen sind beim näheren Hinsehen ebenfalls nicht ganz lauter, weshalb sich das Martyrium vor den Toren Kölns dann auch anders vollzieht als bisher überliefert.

Auf diese Weise bekommt die im Grunde recht bekannte Geschichte dann doch noch die eine oder andere überraschende Wendung, was sicherlich auch an den fantastisch gezeichneten Charakteren liegt. Richtig brillant wird der Autor jedoch im Peritext: Das Vorwort erklärt unter Zuhilfenahme von einigen Zeichnungen kurz, aber unglaublich amüsant die Grundproblematik (Ursula und ihre Jungfrauen sind schwer nachweisbar, von der tatsächlichen Anzahl ganz zu schweigen) und der Erzählertext ist kompromisslos auf Kölsch gehalten. Zusammen mit einigen „deleted scenes“ im Anhang ergibt sich so ein abwechslungsreicher, unglaublich amüsanter Comic, der respektlos und witzig ist und einfach mal Spaß macht.

Titelbild

Ralf König: Elftausend Jungfrauen.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2012.
192 Seiten, 18,95 EUR.
ISBN-13: 9783498035587

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