Bemaltes Glas

Ein Sachbuch informiert über das Malen hinter Glas

Von Klaus HammerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hammer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Worin liegt die Magie der Hinterglasmalerei, der seitenverkehrten Malerei in Leinölfarben mit Sikkativ oder in ölreichen Temperafarben auf einer Glasscheibe? In den leuchtenden Farben, dem Wechselspiel von Spiegelung und Lichtreflexen, der Transparenz des Bildträgers Glas, dem optischen Malgrund, dem Reiz des umgekehrten Malvorganges? Wohl alles zusammen macht die Faszination dieser eigenständigen Gattung der Kunstgeschichte aus.

Lange als Sonderform der Glasmalerei für Kirchenfenster angesehen, diente das Werk der Hinterglasmalerei als repräsentatives Kunstkammerstück, dekorativer Wandschmuck oder religiöses Andachtsbild. Hinterglasmalerei finden wir als Wandbild, an Altären oder anderen Sakralwerken, an Möbeln oder kunsthandwerklichen Gegenständen. Neben dem Malen hinter Glas gibt es weitere Spielarten von Hinterglaswerken. Die Autorin des Sachbuches „Hinterglasmalerei“, Simone Bretz, freischaffende Restauratorin für hintermaltes Glas, macht deutlich, dass als Hinterglasmalerei „jede Verzierung auf der – vom Betrachter aus gesehen – hinteren Seite eines transparenten Bildträgers“ gilt, „sofern diese unmittelbar auf diesem haftet“.

Nachdem sie sich mit Fragen der Erforschung der Hinterglasmalerei beschäftigt hat, kommt sie auf die Bildträger – das Glas und die Rahmen – zu sprechen und wendet sich dann der Kunsttechnologie zu. Wie geschieht die Hinterglasbemalung, welche Palette an Malfarben wird eingesetzt, welche Art der Unterlegung gewählt? Ausführlich werden die Radiertechniken – die Farbradierung, die Gold- und Silberradierung, die Amelierung, die aus drei hintereinander aufgebrachten Schichten besteht, das Eglomisé – hier folgt dem Farbauftrag die Applikation des Blattmetalls – dargestellt.

Die Geschichte der Hinterglasmalerei von der Antike bis ins 20./21. Jahrhundert hätte man sich allerdings doch ausführlicher gewünscht. Sie gleicht hier mehr einem Lexikonartikel. Die Autorin beschränkt sich zudem auf den mittel- und westeuropäischen Raum, der südosteuropäische mit seinen reichen Traditionen bleibt merkwürdigerweise ausgespart. Ungarn, Siebenbürgen und die Bukowina haben zwar ihre frühen Hinterglasmalereien aus den böhmischen und oberösterreichischen Werkstätten bezogen – und die Technik etwa der siebenbürgischen Hinterglasmalerei, die im 18. und 19. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte, stammt aus diesen Quellen –, aber inhaltlich zeichnete sich hier eine rasche Verselbstständigung ab. Die rumänischen Ikonenmaler mit ihrer byzantinischen Maltradition veränderten die westlichen Vorlagen. Weshalb wird der rumänischen Hinterglasmalerei keine Beachtung geschenkt, wo es doch gerade in Deutschland eine Reihe hervorragender musealer und privater Sammlungen gibt und der Stand der kunsthistorischen Aufarbeitung dieser Sammlungen als vorbildlich bezeichnet werden kann?

Im 19. Jahrhundert hat die Hinterglasmalerei in vielen Ländern Mittel-, Süd- und Osteuropas eine Wiederbelebung durch die bäuerlich-handwerkliche Kultur erfahren. Wie und warum sich dann gerade die Künstler der klassischen Moderne der Hinterglasmalerei zugewandt haben, das wird nur summarisch abgehandelt. Angeregt von den unvermischten und leuchtenden Farben der volkstümlichen Bilderwelt hatten sich Kandinsky und Gabriele Münter, aber auch die Künstlerfreunde Franz Marc und August Macke in dieser Technik versucht. Die Maler des Blauen Reiters lösten sich von den historischen Anregungen und gingen zu freien künstlerischen Arbeiten über. Mehr als 40 Jahre hat sich Heinrich Campendonck mit der Hinterglastechnik beschäftigt. Dass es auch seit dem 18. Jahrhundert eine Hinterglasmalerei in China gibt und dass sie auch im islamisch-arabischen Kulturbereich nachzuweisen ist, hätte wenigstens erwähnt werden können.

Mit den Schäden und der Erhaltung von Hinterglasmalerei – dabei kann die Restauratorin ihre reichen Erfahrungen einbringen – endet dieses gut illustrierte, für Sammler, Kunsthistoriker und interessierte Laien gleichermaßen nützliche Sachbuch. Vielleicht hätte man dem nüchtern-sachlichen Duktus der Verfasserin ein wenig mehr leidenschaftliche Überzeugungskraft wünschen wollen.

Titelbild

Simone Bretz: Hinterglasmalerei … die Farben leuchten so klar und rein. Maltechnik - Geschichte - Restaurierung.
Klinkhardt & Biermann Verlag, München 2013.
79 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783943616125

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