Der Erste Weltkrieg in farbigen Bildern

Die Graphic Novel „Der Krieg ist vorbei“ von Philippe Delestre und Philippe Claudel als ein Zeichen für den Frieden in Europa

Von Cédric PietteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Cédric Piette

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Der Krieg ist vorbei“ liegt ganz im momentanen Trend der Graphic-Novel- und Comicwelt. Mittlerweile sind Comics und Graphic Novels zunehmend dokumentarischer orientiert, wodurch neue Lesergruppen erschlossen werden. Graphik Novels sind für den breiten Buchmarkt mehr als nur Kindergeschichten, Erotika oder literarische Adaptionen, was spätestens seit der Veröffentlichung von „Die Ignoranten: Wenn Wein und Comic sich begegnen“ von Étienne Davodeau im Jahr 2013 und der damit einhergehenden medialen Aufmerksamkeit offensichtlich wurde. Florian Weiland spricht in einem Artikel im Südkurier davon, dass die Kreation des Begriffs „Graphic Novel“ für bestimmte Comicsorten inzwischen zu großer Anerkennung seitens des Feuilletons und des Buchhandels geführt habe.

Die Darstellung des Krieges in Comics ist nicht neu. Dies zeigen beispielsweise Art Spielmanns Reihe „Maus“ oder Keiji Nakazawas zehnteiliger Manga „Barfuß durch Hiroshima“, die beide überaus erfolgreich waren. Jedoch befassen sich wenige Werke mit dem Ersten Weltkrieg – das tat bisher nur Jacques Tardi mit seinen Comics.

Der Schwerpunkt der Graphic Novel „Der Krieg ist vorbei“ ist nicht mehr auf das Erzählen der Geschichte eines Einzelschicksals ausgerichtet, in der der Leser mit einem Protagonisten leben und leiden kann, wie etwa bei Nakazawa, sondern auf die allgemeinen Geschehnisse. Hierin ähnelt der Band Jacques Tardis „Grabenkrieg“. Das vorliegende Werk von Delestre und Claudel ist eine Zusammenstellung von Zitaten, unter anderem solchen von Henri-Alexis Brailmont, Roland Dorgelès oder Erich Maria Remarque, – sowie von Fakten, Zahlen und kolorierten Zeichnungen, die zeigen, wie ähnlich das Kämpfen und vor allem das Sterben auf deutscher und auf französischer Seite war. Besonders anschaulich werden die Gemeinsamkeiten und die nur marginalen Unterschiede durch die grafischen und textlichen Gegenüberstellungen. Delestre erreicht das unter anderem durch die in einem einfachen, geradezu kindlich naiven Stil gehaltenen Zeichnungen, die dennoch einen erstaunlichen Detailreichtum aufweisen und eine Atmosphäre schaffen, die die Veränderungen im und durch den Krieg greifbar macht – ohne jedoch effekthascherisch auf explizite Darstellung von Grausamkeiten zu setzen. Diese gegenüberstellende grafische Konzeption erinnert ebenfalls an Tardi, nämlich an sein zusammen mit Jean-Pierre Verney geschaffenes Werk „Elender Krieg“.

Als narrative Instanz dient die Chronologie der Ereignisse des Ersten Weltkrieges. So wird der Leser unvermittelt in die Unausweichlichkeit und das Elend der Kämpfe geführt, in denen sich aber mitunter auch Menschlichkeit zeigt. Die Graphic Novel „Der Krieg ist vorbei“ macht damit unmissverständlich deutlich, „dass es […] ein Vorher gegeben hatte und ein Nachher“ gab. Dem eigentlichen Werk von Delestre, jener Collage aus Zeichnungen, Zitaten und Beschreibungen, ist Claudels Erzählung „Eine Kriegskindheit“ vorangestellt, die gewissermaßen das Vorwort bildet. In ihr wird am Beispiel von Claudels Familie ersichtlich, welche Spuren die beiden Weltkriege, vornehmlich der Erste, über Generationen hinweg hinterlassen haben.

In „Der Krieg ist vorbei“ erfährt der Leser nichts Neues über den Ersten Weltkrieg, aber das soll er auch gar nicht. Vielmehr handelt es sich um ein veritables Manifest für den Frieden.

Titelbild

Philippe Claudel / Philippe Delestre: Der Krieg ist vorbei. Reihe „Die von 14“.
Übersetzt aus dem Französischen von Anne Effmert.
Verlag André Thiele, Mainz 2013.
106 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783955180096

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