Das Welttheater
Max Brod über „die Schönheit häßlicher Bilder“, französische Kleiderbügel und die moderne Oper
Von Nadine Ihle
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWer „Brod“ hört, denkt automatisch „Kafka“. Ohne den Nachlassverwalter Max Brod kein Weltruhm für Kafka, und ohne Kafka – so ist zu befürchten – wären Brods eigene literarischen Erzeugnisse heute nur noch Randnotizen der Literaturgeschichte.
Dabei war Brod durchaus ein eigenständiger und eloquenter Erzähler, wie der Essayband „Über die Schönheit häßlicher Bilder“ beweist. Er ist erschienen als neuester Teil einer Reihe, die ausgewählte Werke von Brod wieder entdeckbar macht und in der bisher seine wichtigsten Romane erschienen sind. Brod selbst veröffentlichte mit demselben Titel bereits 1913 eigene Essays, versehen mit dem Untertitel „Ein Vademecum für Romantiker unserer Zeit“. Den ursprünglich 33 Texten sind in dieser Neuausgabe weitere nachgestellt, die Zeitspanne reicht nun bis in Brods Todesjahr 1963.
Die Essays sind ein Panoptikum – da geht es um französische Kleiderbügel, um Inselfluchten und modernes Theater. Und Musik. Immer und immer wieder um Musik. Mit leiser Ironie schreibt Brod am Ende seiner Betrachtungen zu einem Kurpark-Konzert: „Ich habe nur meine Notizen gesammelt, von deren Belanglosigkeit leider für das praktische Leben ich aufrichtig überzeugt bin, und gebe sie hier zum besten.“
Ob seine Abhandlungen heute noch praktischen Nutzen bieten – sie sind allerdings mit der Historisierung des Weltkriegsgeschehen und dem Wissen um Brods eigenen biografischen Verwerfungen mehr als die Summe ihrer einzelnen Teile. Sie bilden den ganz nahen, persönlichen Verlauf eines Kulturlebens ab. Gerade in den Texten von 1913 hört man Verve, Frechheit, Unbekümmertheit eines noch jungen Schreibers, dem die Welt offen steht. In dem titelgebenden Essay verkündet Brod: „und ich sehe schon, daß die gesamte Menschheit nichts dringender bedarf als mein neues System der Ästhetik, das ich gewissenhaft und mit fast barbarischem Fleiß schon langes schreibe, jedoch an meinem fünfzigsten Geburtstage erst, das ist am siebenundzwanzigsten Mai 1934, herauszugeben felsenfest entschlossen bin.“
Es sollte anders kommen. Man ist versucht, den in der Kunstgeschichte etablierten Begriff der „Verschollenen Generation“ zu übernehmen – für all jene Künstler, die trotz einer schier überschäumenden Schaffenskraft ihre vorgezeichneten Wege nicht gehen konnten, denen die Weltkriege alles nahmen, wenn sie überhaupt überlebten; und die nach 1945 nie wieder wurden, was sie hätten sein können.
Literarischer Nachruhm ist etwas Fragiles – von Glück kann sagen, wessen Wirkkraft sich nicht auflöst zwischen streitsüchtigen Copyright-Verwaltern, die jedwede Beschäftigung mit den von ihnen besetzten Werken ebenso unmöglich wie unwürdig machen. Gut, wer einen Max Brod zum Freund hat. Brods eigener Nachruhm steht und wird vermutlich immer im Schatten des übergroßen Kafka stehen. Wie sich Brod in seinen eigenen Worten anhört, kann aber nun jeder selbst entdecken.
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