Frauenlehrstunde
Lena Dunhams „Not That Kind Of Girl“ ist Freche-Mädchen-Literatur – erfrischend, aber dennoch überbewertet
Von Daniela Otto
Jetzt schreibt sie also auch noch ein Buch. Lena Dunham, dieses New Yorker Allround-Talent, das die meisten als Darstellerin und Produzentin der Serie „Girls“ kennen. Dunham, die das „Time Magazine“ im vergangenen Jahr unter die 100 einflussreichsten Menschen wählte, Dunham, die es mit erst 28 Jahren geschafft hat, als Stimme ihrer Generation zu gelten, hat mit „Not That Kind Of Girl“ eine Autobiographie veröffentlicht. Oder zumindest so etwas in der Art.
Denn was in diesem Buch, das mit dem Untertitel „Was ich im Leben so gelernt habe“ durchaus Anspruch auf Wissensvermittlung erhebt, nun authentisch ist oder nicht, bleibt fraglich und letztlich wohl dem Urteil des Lesers überlassen. Dunham ist, ähnlich wie Lady Gaga, ein postmodernes Gesamtkunstwerk: Wo die Rolle aufhört und das Leben anfängt, ist schwer zu sagen. Und so mutet auch „Not That Kind Of Girl“ hochgradig stilisiert an. Am Mythos Dunhams, die mit „Girls“ flächenwirksam die Glamour-Dämmerung, ja die Entästhetisierung des sonst in den Medien zur Perfektion verdammten weiblichen Körpers. eingeläutet hat, kratzt das Buch jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Es schreibt ihn fort.
In fünf Kapiteln – Liebe & Sex, Körper, Freundschaft, Arbeit, Das große Ganze – begleitet man die Ich-Erzählerin durch diverse Abenteurer, die die Adoleszenz eben so mit sich bringt: Soll man nun, einfach nur mal rein platonisch, mit Jungs in einem Bett schlafen? Warum wiegt man immer zu viel, selbst wenn man auf Diät ist? Was sagt man besser nicht zu Freunden und was kann man von seinem Vater lernen? Und vor welchen Krankheiten kann man sich fürchten? Weise sind die Antworten, die Dunham auf diese Fragen gibt, keineswegs. Allerdings erfrischend und mitunter durchaus klug. Nach der Entjungferung empfindet Protagonistin Lena zum Beispiel ein neues Grundgefühl: „Wie würde ich je wieder echte Einsamkeit verspüren können, nachdem jemand so tief in meinem Innern herumgestochert hatte?“ Sex wird als „Invasion des Inneren“ beschrieben und wer mit seinem Körper kämpft, kann schon mal zur „erfolglosesten Gelegenheits-Bulimikerin der Welt“ werden.
Der Dunham-Sound ist somit flott, unverblümt und vorlaut, was „Not That Kind Of Girl“ zu paradigmatischer Freche-Mädchen-Literatur macht. Trotzdem erschöpft sich der Reiz dieses Pop-Tagebuchs schnell. Wer Helene Hegemann oder Charlotte Roche kennt, den wird die schonungslose literarische Zuschaustellung eines unperfekten weiblichen Körpers und einer angstgeplagten beziehungsweise neurotischen pubertierenden Seele nicht mehr schocken können. Wenngleich „Not That Kind Of Girl“ durchaus Identifikationspotential in sich birgt – wer hat keine Angst davor, „was mein Mobiltelefon mit meinem Gehirn anstellt“ oder wer beantwortet die Frage: „Könnte ich jetzt auf der Stelle einschlafen?“ nicht mit Ja – legt man das Buch nicht mit dem Gefühl aus der Hand, etwas verpasst zu haben, hätte man es nicht gelesen. Im Gegenteil, der Text enttäuscht mitunter auch.
Denn obwohl die Autobiographie das gendertheoretisch so wichtige Motiv des weiblichen Sprechens gleich zu Beginn aufgreift und das Werk damit seine eigene Daseinsberechtigung postuliert, löst der Text die Sehnsucht nach großer Literatur aus, nach poetischer Erzählung mit künstlerischem Mehrwert. Denn das ist „Not That Kind Of Girl“ nicht. Der autobiographische Roman scheitert zudem an seinem eigens erhobenen feministischen Anspruch: Denn gewiss, nichts erscheint im Kontext der Geschlechterforschung notwendiger als die Tatsache, dass auch die weibliche Stimme erhört werden muss, weil Frauen etwas zu sagen haben. Dennoch ist es zu einfach, das reine Mundaufmachen als Wert an sich zu verklären. So heißt es im Buch: „Ich finde nichts mutiger, als wenn jemand verkündet, dass seine Geschichte es wert ist, gehört zu werden, vor allem wenn dieser Jemand eine Frau ist. So hart wir auch daran gearbeitet haben, so weit wir gekommen sind, immer noch gibt es so viele Kräfte, die sich verschwören, um die Frauen in ihre Schranken zu weisen, unsere Sorgen für nichtig zu erklären, unsere Meinungen für überflüssig, als mangelte es uns an Ernsthaftigkeit und unseren Geschichten an Bedeutung. Als wären persönliche Texte von Frauen nichts mehr als eine Übung in Eitelkeit, und wir sollten für diese neue Welt dankbar sein, uns setzen und einfach die Klappe halten.“
Die Klappe hält Dunham freilich nicht. Sie will Geschichten darüber erzählen, „wie es ist, morgens in einem erwachsenen Frauenkörper aufzuwachsen, voller Angst und Ekel“. Doch reicht das, um literarischen Ansprüchen zu genügen? Wohl kaum. Es braucht doch mehr – Erzählungen mit dramaturgischem Tiefgang und lyrischer Sprache zum Beispiel – um Geschichten mit anhaltendem Mehrwert und Bedeutung aufzuladen. Das nämlich können Frauen auch. Und dann wird es richtig spannend.
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