Auf einen Diss mit Bushido
Mit seiner Biographie betreibt Bushido (Proll-)Imagepflege und (Erst-)Leseförderung
Von Laura Konert
Besprochene Bücher / Literaturhinweise„Würdest du für eine Million Euro mit einer Ziege bumsen?“ –
„Für eine Million? Würde ich!“, antwortete ich, ohne mit der Wimper zu zucken.
Diese und ähnlich überflüssige Ansagen beförderten Bushido – mal wieder – an die Spitze einer Bestenliste. Vom Rapper zum Autobiographen zum Bestsellerautor: Bushido, mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Ferchichi, ist als deutscher Rapper berühmt-berüchtigt und vielfach ausgezeichnet. 2008 erschien seine Biographie Bushido im Riva-Verlag und reihte sich nahtlos in die Erfolgsserie des Künstlers ein.
Alles Proll-Image – oder was? Bushido erzählt in seiner Biographie von seiner Herkunft, seinem Aufstieg, dem Showbiz, von Loyalität und vor allem: von seiner Mutter. Der Leser erfährt, wie aus Anis Ferchichi, einem arbeitslosen Kleinkriminellen aus Berlin, Bushido wird, von seinem Ein- und Ausstieg bei Aggro Berlin und seiner Arbeit mit Universal.
Die Beziehung zu den Eltern, insbesondere zur Mutter, steht immer wieder im Vordergrund. Diese leiht ihm zunächst für den Einstieg als Drogendealer Geld und nimmt später sogar einen Kredit auf, um ihrem „Bub“ bei seiner Rapperkarriere zu helfen. Und eigentlich ist Mama Bushido einfach immer die Beste, ein „Engel“; immer ist sie zur Stelle, wenn man sie braucht. Daher ist dieses Buch ihr gewidmet. Der Vater bleibt (fast) bis zum Schluss abwesender, gewalttätiger Alkoholiker. Die familiäre Versöhnung bildet dann den emotionalen Höhepunkt des Buches.
Und was darf in keiner Autobiographie fehlen? Genau: eine Prise Herzschmerz. Und die wird beigesteuert von Selina, seiner „ersten richtigen Freundin, seiner ersten großen Liebe“. Nach der Trennung wird sie zur „Fotze“ und er zum „S.S.G. – skrupellosen Sex-Gangster“. Die Tugenden seiner Traumfrau lassen sich auf eine knappe Formel bringen: Gut aussehend und eifrig soll sie sein, und sie darf auch ihre eigene Meinung haben, aber „wenn sich ein Mädchen auf eine ernste Beziehung mit mir einlassen will, dann nur zu meinen Bedingungen.“ Um es in Bushidos Worten zu sagen: „Auf der Straße eine Dame, im Bett eine Hure. Eine perfekte Mischung.“
Neben den Einblicken in die verschiedenen Etappen seiner Karriere – Aggro-Berlin, Universal, Preise und Co. – erhält insbesondere Bushidos Verbindung zur Familie Abou-Chaker große Beachtung. Das Café – gewissermaßen der Stammsitz der Familie – wird immer wieder zum Hauptschauplatz der Handlung. Bushido wird Teil dieser „Famiglia“: „Ich merkte sofort, dass diese Leute aus dem Café loyal waren. Endlich hatte ich meine richtige Familie gefunden.“ Loyalität ist überhaupt eines der wichtigsten Prinzipien Bushidos: „Du musst alles für deine Familie machen, dafür wird aber auch für dich alles getan. Jeder hilft jedem. Natürlich reden wir hier vom Mafia-Prinzip, klar, La Famiglia.“
Die Themen Familie/Famiglia, Liebe und Karriere nehmen etwa 150 Seiten der Biographie ein. Nun umfasst das Buch jedoch stolze 425 Seiten Text. Was also steht auf den restlichen Seiten? Beim Lesen drängt sich der Verdacht auf, dass das Buch ein wenig aufgeplustert wurde. Sind keine wichtigen Informationen mehr zur Hand? – Egal, dann werden eben kleine Anekdoten erzählt. Und davon gibt es im Buch reichlich. Überschriften wie „Du sprichst wie ein Mann? Steck ein wie ein Mann!“ oder „Das Leben ist hart“ können hier programmatisch für ein breites Spektrum bedeutungsloser und sinnfreier Digressionen gesehen werden, meist gemäß dem Schema: Person A sagt etwas, daraufhin ist Person B gekränkt und haut Person A „auf die Fresse“. Wären diese Schilderungen nicht so gewalttätig, ließen sie sich in netter Runde beim Kaffeekränzchen erzählen. Für einen schriftlich verfassten Text sind sie stilistisch wie gehaltlich zu schwach:
„Du bist ein Hund. Und weißt du, wie Hunde machen?“
„Ich habe dich gefragt, wie Hunde machen, du Hund!“
„Hunde bellen“, war seine Antwort.
„Dann will ich jetzt, dass du bellst!“
An anderer Stelle heißt es:
„Kay, würdest du in eine Tonne voll Sperma hüpfen?“
„Kommt drauf an“, meinte er.
„Auf was?“
„Müsste ich nur kurz reinspringen?“
Damit lassen sich bestenfalls pubertierende Möchtegern-Gangster beeindrucken. Bei allen anderen LeserInnen stellt sich bei der Auflistung dieses dialogischen Schwachsinns Überdruss ein. Übertrumpft wird er nur noch von den „üblichen Frauengeschichten“, die sprechende Überschriften tragen wie „Schlampenstress an der Strippe“ oder „Gangbang: Wer nicht kommt, wird nicht gezählt!“. Die ‚Message’ lässt sich auch an dieser Stelle in einem Satz zusammenfassen: Bushido, Frauenheld und selbsternannter S.S.G., bekommt sie alle; sie alle – My-Space-Mädchen und Schlampen – verlieben sich unglücklich, hegen sie doch zunächst allesamt die vergebliche Hoffnung, aus dem Wolf ein Lämmchen zu machen.
Bushidos Stil passt sich dem abgedroschenen Inhalt an. Zu seinem Image als gefährlicher Gangster-Rapper muss natürlich die passende Sprache her. Welches Maß an Eloquenz verlangt die Straße? „Wenn an einem meiner ‚Abfülltage’ die Bullen gekommen wären, na ja, dann hätten sie mich am Arsch gehabt. Und zwar ohne Gleitcreme. Hardcore gefickt!“ Eine verzwickte Lage, in die er gerät, wird als „Hurensohn-Situation“ beschrieben. Um seine einfältige Ablehnung gegenüber allem und jedem zu bekunden heißt es: „Du findest mich nicht cool? Kein Problem. Dann verpiss dich aus meinem Leben, aber nerv mich nicht weiter.“ Insgesamt wird eine starke Affinität zum Superlativ deutlich: Worum es auch geht, es ist immer das „Krasseste“ und „Übelste“. Diese vulgäre, verknappte und simple Sprache ergänzt gelungen sein Image.
An Einem fehlt es Bushido in der Tat nicht – an Selbstvertrauen. Er lebe nach der Devise: „Never outshine the master“ – the master himself ist natürlich kein Geringerer als Bushido, der „beim besten Juwelier von Zürich“ Diamantenschmuck kauft, seine Armbanduhr ausschließlich „Breitling“ nennt und sein Auto nur „7er“. Dieses Selbstbild und die dazugehörige Sprache ließe sich durchaus glaubwürdig verkaufen, würde nicht immer wieder ein Widerspruch laut werden: Wer ist dieser Bushido denn nun? Ein Junge aus dem Ghetto mit entsprechendem Ghetto-Slang, asozial und stolz darauf – oder ein erfolgreicher, intelligenter Geschäftsmann, der sich durchaus eloquent auszudrücken vermag und Schiller zitiert? Diese bildungsbürgerlichen Anteile wollen nicht recht zu seinem Image und Ton passen. Dennoch findet man beides in seiner Biographie: Eloquenz und Straßenslang. Wünschenswert wäre es gewesen, er hätte sich für eine Stillage entschieden.
Wenn man sich von den zahlreichen Registerbrüchen nicht entmutigen lässt und aufmerksam weiterliest, dann findet man sie doch, die nachdenkliche, wenn nicht gar ‚sinnsuchende’ Seite des Bushido. Immer wieder blitzt die Frage auf, was das eigentlich für ein Leben sei, in was für einer Welt wir eigentlich leben. Und auch die Normen und Werte des Einzelnen in der Gesellschaft kommen zur Sprache, allerdings erwartungsgemäß mit Gangster-Pathos:
„Bushido kommt aus dem Japanischen, war eine Art Lebenskodex der Samurai und heißt übersetzt so viel wie ‚Weg des Kriegers’. Die sieben Grundsätze oder Tugenden des Bushido lauten: Gerechtigkeit, Mut, Güte, Höflichkeit, Wahrheit, Loyalität und Ehre. Intuitiv hatte ich den richtigen Namen für mich gewählt.“
Viel Lärm um Nichts, viel heiße Luft, eine ganze Portion Proll-Image-Politur und ein bewegendes ‚Outro’ befinden sich zwischen diesen Buchdeckeln. Und so lässt sich festhalten, dass die Lektüre viel Durchhaltevermögen und Toleranz erfordert. Es empfiehlt sich überdies, zu bedenken, dass es sich bei Herrn Ferchichi in erster Linie um einen raffinierten Geschäftsmann handelt, der seine Person samt Image erfolgreich zu vermarkten weiß. Nicht umsonst ist Co-Autor Lars Amend auch als Bushidos PR-Berater tätig gewesen. Und so haben sie gemeinsam ein mehr schlechtes denn rechtes Buch geschrieben, das sich dennoch in die oberen Reihen der Bestsellerlisten eingereiht hat. Image-Pflege oder ‚Confessiones’ – eines hat Bushido bravourös erreicht: So mancher Nichtleser konsumiert ein Buch von über 400 Seiten. Wir danken ihm für die engagierte und breitenwirksame Leseförderung!
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen