Kriegslied

Von Matthias ClaudiusRSS-Newsfeed neuer Artikel von Matthias Claudius

‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
    Und rede Du darein!
‘s ist leider Krieg – und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt‘ ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
    Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
    Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
    Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
    In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
    So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
    Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch‘ und ihre Nöten
    Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten und mir zu Ehren krähten
    Von einer Leich‘ herab?

Was hülf‘ mir Kron‘ und Land und Gold und Ehre?
    Die könnten mich nicht freun!
‘s ist leider Krieg – und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!

Das Gedicht von 1778 ist unter anderem abgedruckt in Matthias Claudius: Der Mond ist aufgegangen. Gedichte und Prosa. Eine Auswahl von Reinhard Görisch. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1998.