Die Arbeit an der Arbeit

Bericht über den Themenentwicklungs- und Vernetzungsworkshop „Mediale Darstellungen der Arbeit seit 1960“ an der Universität Duisburg-Essen (2.–3. März 2015)

Von Iuditha BalintRSS-Newsfeed neuer Artikel von Iuditha Balint

Bei dem Versuch, ‚Arbeit‘ zu definieren, wird schnell deutlich, dass es sich hierbei um ein vielschichtiges Konzept bzw. Konstrukt handelt, das nicht nur historisch gewachsen ist, sondern in unterschiedlichen Disziplinen, Kulturen und sozialen Zusammenhängen unterschiedlich verwendet wird und sich somit nicht auf einen eindeutigen, klaren, eindimensionalen Begriff bringen lässt. Zu Recht nannte daher Rolf Parr (neben Christoph Bieber, Thomas Ernst, Jens-Martin Gurr und Alexandra Pontzen einer der OrganisatorInnen des Workshops) in seinen Eröffnungsworten am 2. März unterschiedliche Diskursformationen bzw. Spezialbereiche, von denen das Verständnis und das Wissen unserer Zeit über ‚Arbeit‘ herrührt, wie etwa die Politik, die Wirtschaftswissenschaften, die Psychologie, die Medizinwissenschaft oder die Sozialwissenschaft. ‚Arbeit‘ speist sich jedoch nicht nur aus diesen (und weiteren) Bereichen, sondern verbindet diese miteinander und fungiert demgemäß als ein verbindendes Glied, das verschiedene soziale und wissenschaftliche Diskurse miteinander in Beziehung setzt. ‚Arbeit‘ wird also nicht nur diskursiv vermittelt und verändert; sie vermittelt zwischen diesen Diskursen und verändert dementsprechend selbst den Diskurs über ‚Arbeit‘. In einem Satz: ‚Arbeit‘ ist ein dynamisches diskursives Konstrukt, das aus einem Konglomerat sozialen, medialen und wissenschaftlichen (Spezial-)Wissens geformt ist und geformt wird.

Medien wie etwa Literatur, Film, Fernsehen, Presse oder Theater, die ohnehin eine besondere Sensibilität für gesellschaftlich relevante Fragestellungen und Phänomene offenbaren, nehmen dieses (Spezial-)Wissen auf, formen es ästhetisch und wirken an dem Arbeitsverständnis einer Kultur mit, sie bringen es mit hervor. Der Essener Workshop machte es sich zur Aufgabe, erste Ansätze zu ermitteln, wie dies geschieht: Wie wird ‚Arbeit‘ medial geformt? Wie wird dieses heterogene Wissen über ‚Arbeit‘ in den Medien aufgenommen, evoziert, gedeutet, weiterentwickelt, überhaupt: reflektiert? Um eine Annäherung an diese Fragen zu ermöglichen und das Feld der ‚Arbeit‘ abzustecken, wurden zwölf WissenschaftlerInnen eingeladen – das Spektrum reichte dabei von jungen DoktorandInnen bis zu etablierten WissenschaftlerInnen –, ihre eigenen Projekte vorzustellen und zu diskutieren.

Iuditha Balint (Mannheim) hob in ihrem Keynote-Vortrag hervor, dass literarische und filmische Erzählungen über Arbeit spezifische Gestaltungsmuster aufweisen, die von Werk zu Werk reproduziert, variiert oder durchbrochen werden – etwa im Hinblick auf die Darstellung der Akteure und der Handlungsräume der Arbeit, auf die Plotstruktur oder den Erzählmodus. Nikolai Okunew (Berlin) stellte sein Promotionsprojekt vor, in dessen Zentrum die Fragen stehen, wie der DEFA-Film der Honecker-Ära das Gewöhnliche, Alltägliche fasst und welches Arbeitsverständnis die untersuchten Filme durch die Annäherung an das Verständnis des Gewöhnlichen und Alltäglichen transportieren. Mit filmischen Darstellungen von Arbeit befasste sich auch Christoph Büttner (Konstanz) und machte die Beobachtung, dass hier der anthropologischen Konstante immer mehr Bedeutung zukommt. Katharina Warda (Leipzig) und Kristina Petzold (Duisburg-Essen) beschäftigten sich in ihren Vorträgen mit dem Phänomen des Bloggens. Während im ersten Vortrag die Frage nach der Selbstvergewisserung des Bloggers bzw. der Bloggerin durch die Arbeit im Mittelpunkt stand – und dementsprechend die Identitätsbildung durch Bloggen –, wurde im zweiten danach gefragt, inwiefern Bloggen für die jeweils Schreibenden tatsächlich Arbeit bedeutet bzw. inwieweit die Definition einer Tätigkeit als Arbeit oder Nicht-Arbeit von der Perspektive des Betrachtenden abhängig ist. Das Ende des ersten Tages läutete Rolf Nohr (Braunschweig) mit einem Keynote-Vortrag über Unternehmensplanspiele ein, ging dabei dem Zusammenhang zwischen Arbeit und Spiel nach und beleuchtete die konzeptuelle Abstammung der Unternehmensplanspiele von den militärischen Planspielen.

Den zweiten Tagungstag eröffnete am 3. März Wolfram Ette (München) mit einem Keynote-Vortrag über Alexander Kluges und Oscar Negts Theorie der Arbeit als Versuch einer Ergänzung und, um den Ausdruck des Referenten zu bemühen, einer „Entdramatisierung“ der Marx’schen Theorie. Christian Funk (Bochum) stellte sein Dissertationsprojekt vor, in dessen Rahmen er die Inklusionsbemühungen zeitgenössischer Arbeitswelten am Beispiel von Menschen mit Behinderungen untersucht. Kyra Palberg (Duisburg-Essen) steuerte einen Vortrag über die Darstellung von Arbeitslosenstatistiken in den Massenmedien bei und stellte fest, dass diese ein Bild der Arbeit entwerfen, das sich aus dem diskursiven Zusammenspiel von spezifischen Kollektivsymboliken, ikonischen Zeichen, Metaphoriken und Rhetoriken speist. In seinem Keynote-Vortrag sprach Christian Jäger (Berlin) über Imaginations- und Darstellungsformen von Arbeit im Pop und Pop-Diskurs in Großbritannien und Deutschland; er machte die Beobachtung, dass die Wiederentdeckung des (Industrie-)Arbeiters in den Songtexten und seiner Re-Inszenierung auf der Bühne eine Sehnsucht nach einem Proletariat zum Ausdruck bringt, das seinen Namen verdient und als Folie sozialer Abgrenzung vom Bürgertum und den ‚Hippies‘ fungiert. Raphael Heibel (Trier) machte bei der Vorstellung seines Dissertationsthemas auf das Konzept der „liminalisierten Arbeit“ aufmerksam, einer Ausprägung der Arbeit, die sich als Lokalisierung an drei Grenzen verstehen lässt: der Grenze zur Prekarität, zur Prostitution oder der geographischen bzw. imaginären Grenze zwischen Ost- und Westeuropa. Hendrik Neubauer (Kassel) befasste sich als letzter Vortragender mit der Arbeit in Liedern von Herbert Grönemeyer und Mike Krüger.

Eine kurze und intensive Abschlussdiskussion wurde von der Frage gelenkt, inwiefern und auf welchen Ebenen die einzelnen Vorträge miteinander zusammenhängen. Angerissene und offen gebliebene Fragen waren etwa die nach der Grenzziehung zwischen materieller und immaterieller Arbeit – eine Frage allerdings, die in einem zeitlich so begrenzten Rahmen unmöglich zu beantworten gewesen wäre –, oder die Frage nach anderen Ausprägungen der Arbeit, die verstärkt ins Interesse der Forschung gerückt werden sollten. Bedeutsam war für die Vorträge und die Diskussionen der beiden Tage die Erkenntnis, dass es zwischen dem jeweils untersuchten Medium und dem von ihm beobachteten Gegenstand ein Zusammenspiel stattfindet, sodass ‚Arbeit‘ stets im Kontext ihrer Medialisierungsformen und -möglichkeiten betrachtet werden muss: Unser Verständnis von Arbeit hängt also maßgeblich von seiner medialen Diskursivierung und Darstellung ab. – Eine gewichtige Erkenntnis für eine Veranstaltung, die sich im Vorfeld einer langjährig angelegten eingehenden Beschäftigung mit dem Kulturphänomen ‚Arbeit‘ als „Themenentwicklungsworkshop“ verstand.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen