Vom lieben Augustin

Franz Dobler bleibt mit „Ein Schlag ins Gesicht“ im Krimi-Genre, was ein Segen ist

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Helden am Ende ihres Niedergangs sind keine Seltenheit im Krimi. Ein Privatdetektiv, der auf sich hält – und welcher Hard-boiled-Ermittler täte das nicht –, hat Frau und vielleicht auch Kind verloren, das Haus ist weg und das Geld sowieso. Was bleibt einem da noch übrig, als sich dem Suff zu ergeben, was immer schon eine rätselhafte Fassung eines Lebens zwischen Selbsterniedrigung und Selbstmord war. Einem Mann, der nicht trinkt, kann man nicht trauen, lässt Ian Rankin eine Schottin sagen, die auf einen Ermittler trifft, der nicht säuft. Was Rankins Hauptfigur mit dem schönen Namen Rebus nicht auf sich sitzen lassen würde.

Ähnlich geht es Franz Doblers Robert Fallner, dem wir in Ein Schlag ins Gesicht nun schon das zweite Mal begegnen (nach Ein Bulle im Zug aus dem Jahr 2014). Mittlerweile ist der alte Fall gelöst, ja, es war der Kollege, der es auf die Freundin von Fallner abgesehen und sich auch sonst recht schmutzig in dessen Leben eingemischt hatte.

Mittlerweile hat Fallner seinen Abschied genommen und ist bei seinem Bruder untergekommen, der – auch er ein ehemaliger Bulle – eine Sicherheitsfirma betreibt. Deren vornehmster Auftrag, für den Fallner gerade zur rechten Zeit kommt: Eine gealtertes TV-Busenwunder fühlt sich gestalkt und Fallner soll den dreckigen Burschen unschädlich machen. Dass es sich dabei um eine ernsthafte Bedrohung handelt, wird spätestens dann erkennbar, als irgendwer die Wohnzimmerscheibe der Semi-Sex-Diva einschmeißt.

Aber wo die Gefahr am größten, wächst das Rettende auch, in diesem Fall namens Fallner. Denn dieser wird binnen kurzem zum persönlichen Leibwächter der Diva und findet sich schnell in einem Netz vor allem von popkulturellen Erinnerungswerten wieder. Man mag nicht so recht sagen, an wen einen diese Simone Thomas erinnert. Ingrid Steeger oder Barbara Valentin, womit gegen keine von beiden etwas gesagt sein soll. Oder an wen sonst? Jedenfalls ist sie in Doblers Roman großartig, eine Schauspielerin, die sich im Milieu durchsetzt, in zweifelhaften Produktionen mitspielt, von denen einige später zu ihrem speziellen Ruhm beitragen. „Die Satansmädel von Titting“, ein Film, der 30 Jahre später legendär geworden ist und als Doppel-DVD mit Bonus-Box neu herausgegeben wurde. Ansonsten versprechen die Titel, die sich Fallner gelegentlich in der Belegsammlung seiner Klientin anschauen kann, dem, was das durchschnittliche Provinzkino der 1970er-Jahre spät abends gebracht haben wird: „Schulmädchenreport VI: Was Eltern gern vertuschen möchten“ (den gabʼs anscheinend wirklich), „Autostop-Lustreport“, „Drei Lederhosen in Lillehammer“ – das hört sich nach großem deutschen Kino an.

Nun, nach all den Jahren, ist sie nicht vergessen, aber seit ihrem letzten Film ist auch schon einige Zeit vergangen, was all diejenigen, die von ihr profitieren, nervös macht: den Sohn, der es zu nichts gebracht hat, dessen Frau, die für ein Schmierenmagazin schreibt, und den Manager, der immerhin etwas zu managen haben will, wenn schon, denn schon.

Das lässt ahnen, wohin die Geschichte treibt, aber darauf kommt es hier überhaupt nicht an. Denn auch wenn es abgedroschener Germanistenschnack sein könnte, hier kommt es tatsächlich auf das Wie an, darauf, wie Dobler seine Geschichte vom deprimierten und heruntergekommenen Ex-Bullen erzählt, der im Bett der Diva aufwacht, zwar halbwegs bekleidet, aber ihre Hand im Schritt und mit einer Erektion. Das macht ihn nachdenklich – und sollte auch uns nachdenklich machen, die wir uns an solchen Sensatiönchen laben. So kann es also gehen.

Selbstverständlich muss Dobler dem Krimi-Regelwerk Tribut zollen. Fallner also ermittelt, er schlägt sich mit Sohn, Manager und Schwiegertochter herum, stößt auf den möglichen Vater des vaterlos aufgewachsenen und missratenen Söhnchens, sitzt in Kneipen herum, die nicht minder zweifelhaft sind wie die Filme der Thomas, nimmt an ihren Veranstaltungen teil, was immer ein bisschen nach Autohaus ausschaut, gerät tatsächlich auch in eine Stalker-Attacke und löst schließlich den Fall. Der es überhaupt nicht in sich hat. Doch ist das alles nichts Außergewöhnliches.

Es ist stattdessen das lakonische, zugleich genüssliche Versinken in der bundesdeutschen Trash-Kultur der letzten 40 Jahre, die diesen Dobler zu einem Hit machen. Es ist der knurrige Ton, den der Autor zu kultivieren versteht und der die Lektüre vergnüglich macht. Es ist die irrsinnige Handlung,es sind die merkwürdigen Dialoge und die Erzählung, die Haken schlägt, wie ein Hase vor dem Jagdhund, was alles zu dem Schluss führt, es hier mit einem wirklich großen Buch zu tun zu haben. Dass Dobler ein guter, ja ein herausragender Autor ist, hat man ja schon früh wissen können. Jetzt demonstriert er es aber auf eine Weise, die nicht zu erwarten war, und die deshalb umso beindruckender ist. Um eine Literatur, die so etwas hervorbringt, muss einem nicht bange sein.

Titelbild

Franz Dobler: Ein Schlag ins Gesicht. Kriminalroman.
Tropen Verlag, Stuttgart 2016.
365 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783608502169

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