Wie Gastmann zu „Gasutomang“ wird

Zwischen Sushi und Cosplayern in Dennis Gastmanns „Der vorletzte Samurai. Ein japanisches Abenteuer“

Von Liliane HasnainRSS-Newsfeed neuer Artikel von Liliane Hasnain

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Japan. Das Land der Ninjas, der Samurais und Geishas. Der verrückten Sexspielzeuge, der Roboter und Mangas. Das Land der Gegensätze.

In diesen Mix aus Tradition und Moderne begibt sich der erfolgreiche Journalist und Auslandsreporter Dennis Gastmann zusammen mit seiner Frau, der Halbjapanerin Natsumi. Einen Monat lang fahren die frisch Vermählten durch das Land der aufgehenden Sonne, um ihre Hochzeit zu feiern und den Ehemann der japanischen Verwandtschaft zu präsentieren. Erlebnisse dieser Reise fixiert Gastmann in seinem neuesten Buch Der vorletzte Samurai. Ein japanisches Abenteuer.

Tag für Tag dokumentiert und kommentiert er in der Ich-Perspektive das ferne Land im Osten, seine Kultur und Gepflogenheiten, seine Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Traditionen, ihrer Technik und ihrer Sprache. In einem Detailreichtum, der durchaus den Vergleich mit Thomas Mann oder J.R.R. Tolkien zulässt, zeichnet er Bilder und erschafft Geräuschkulissen, ohne dass die zahlreichen Beschreibungen langweilig werden. Von der ersten bis zur letzten Seite vermittelt er der Leserschaft das Gefühl, mitgereist zu sein in eines der wohl interessantesten Länder der Welt.

Gemeinsam mit ihm und Natsumi fährt man so von Tokyo zur Nordinsel Hokkaidō, über die Mitte des Landes zur Südinsel Kyūshū und beendet die Reise schließlich in Kōbe. Viermal werden verschiedene Zweige der Verwandtschaft besucht, dreimal wird ein Ort zu einem der schönsten des Landes gekürt, unzählige Male erhält man Einblicke in die Realität Japans. Mit humorvollem Sarkasmus beschreibt Gastmann beispielsweise die Skurrilität der angeblichen Grabstätte Jesu in Nikkō, lässt sich über die erschreckende Tierhaltung in den berühmten Sieben Höllen Beppus aus und ist verzaubert von der Schönheit des Mondes über Fukuoka.

Doch genauso wie man Einblick in das Land erhält, bekommt man einen Eindruck von Gastmanns Weltsicht und der Beziehung zu seiner Frau. An manch einer Stelle portraitiert das Buch nicht nur Japan, sondern ebenso ihn und Natsumi. Auch wenn nur wenige Dialoge ihren Weg in die 256 Seiten finden, wirkt jedes Kapitel privat. Gastmann füttert die Leserschaft mit Anekdoten zu vorhergegangenen Japan-Besuchen, mit Geschichten aus Natsumis Kindheit und mit Liebesbekundungen an seine Frau. Durch den Mangel an eigentlichen Gesprächen liest sich der Reisebericht jedoch langsam und gelegentlich scheinen die Grenzen zwischen den einzelnen Reisezielen zu verschwimmen. Einprägsame Kapitelüberschriften und eine Japan-Karte am Ende des Buches vereinfachen allerdings die Orientierung.

Ebenso helfen die informativen Anmerkungen Natsumis, die Gastmann geschickt in seine Beschreibungen miteinbezieht. Seine Erfahrungen als Auslandsreporter und ihre japanische Herkunft ermöglichen einen neuen, abwechslungsreichen Blick auf das Land, das für viele Menschen der westlichen Welt fremd und rätselhaft scheint. Fast schon beiläufig streut der Autor Begriffe, Namen und Redewendungen der japanischen Sprache in den Text ein und übersetzt sie anschließend. Außerdem greift er die Sprechweise des japanischen Volks auf, die durch Silbenalphabete strukturiert ist. So wird Gastmanns eigener Name zum Beispiel zu „Gasutomang“ und der des ehemaligen Fußball-National-Trainers zu „Julugen Kulinsumang“. Momente wie diese lassen die Leserschaft schmunzeln und halten sie bei der Stange, wenn das ein oder andere Gespräch mit Einheimischen zu schräg oder privat für den westlichen Geschmack zu werden droht.

Durch seinen persönlichen Bezug gelingt Gasutomang ein kurzweiliger, humorvoller und informativer Reisebericht. Sei es das Leben in einer japanischen Familie oder die Suche nach dem sagenumwobenen Automaten, welcher getragene Mädchenunterwäsche verkaufen soll – Gastmann vermittelt ein realistisches Bild Japans und macht Lust, das Land der aufgehenden Sonne einmal selbst zu erkunden. Ob für Reiseinteressierte, alteingesessene Japan-Kenner oder Anime-Fans, ein jeder sollte in Gastmanns Werk etwas finden, das die eigene Aufmerksamkeit erregt, und sei es nur die Antwort auf die Frage, was es nun überhaupt mit dem titelgebenden, vorletzten Samurai auf sich hat.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Dennis Gastmann: Der vorletzte Samurai. Ein japanisches Abenteuer.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2018.
253 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783737100113

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