Eine Münchner Gelehrten- und Künstlerfamilie
Anmerkungen zu Gerd Holzheimers Darstellung der „Familie Haushofer in Kunst, Wissenschaft und Politik“
Von Christian W. Spang
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseEinige Vertreter(innen) der alteingesessenen Familie Haushofer eignen sich zweifellos dazu, verschiedene Aspekte der Münchner Stadtgeschichte bzw. der bayrischen Landesgeschichte von der Proklamation des bayrischen Königreichs bis zum Ende des „Dritten Reiches“ zu beleuchten, andere Familienmitglieder waren eher auf der Ebene der europäisch-asiatischen Politik der 1920er bis 40er Jahre zu Hause. Gerade dieser Fassettenreichtum macht die Beschäftigung mit der Familie Haushofer spannend. Über deren bekannteste Mitglieder erschienen im Laufe der Jahre mehrere Monographien, aber auch Sammelbandbeiträge oder Artikel in verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen. Berücksichtigt man einige ältere amerikanische sowie japanische Werke aus der Phase des Zweiten Weltkrieges, so kommt man leicht auf eine Zeitspanne von mindestens acht Jahrzehnten Haushofer-Forschung.[1]
Da sowohl Gerd Holzheimer, der Autor des im Mittepunkt der vorliegenden Betrachtung stehenden, 2023 erschienenen, Werkes Über die Schwelle. Die Familie Haushofer in Kunst, Wissenschaft und Politik, als auch Holger H. Herwig, der deutsch-kanadische Verfasser des hier zu Vergleichszwecken herangezogenen Buches The Demon of Geopolitics. How Karl Haushofer „Educated“ Hitler and Hess (2016), auf ein langes Berufsleben zurückblicken können bzw. konnten, darf man erwarten, dass in den Monographien derart erfahrener Autoren sowohl die ältere als auch die neuere Haushofer-Forschung Berücksichtigung findet. Bei der Lektüre beider Monographien stellt sich dann jedoch recht schnell eine erste betrübliche Gemeinsamkeit heraus. Man fragt sich unwillkürlich immer wieder, ob das jeweilige Werk tatsächlich als Forschungsbeitrag gedacht war oder ob es sich nicht viel mehr um in die Länge gezogene Essays handelt. Da Holzheimers Buch zudem ohne ein Vorwort auskommt, wird einem in diesem Fall nie ganz klar, an wen sich die Darstellung eigentlich richtet.
Wer sich mit Karl E. Haushofer auskennt, muss nach der Lektüre der Bücher von Holzheimer und Herwig unweigerlich an den im Folgenden zitierten Kommentar Heinrich Waentigs aus dessen 1914 publizierten Rezension zu Karl E. Haushofers Erstlingswerk Dai Nihon (1913) denken:
Ich kann mir nicht helfen, es liegt über dem ganzen Buch eine gewisse selbstgefällige Koketterie, eine leichte Neigung, sich auf Kosten der Sache in Szene zu setzen, ein leichter Hauch der Unwahrhaftigkeit. Ich meine nicht der klar bewußten. […] Wahrheit und Dichtung erst im eigenen Kopfe, dann in seinem Werke klar und scharf zu sondern […] dürfte die wichtigste Aufgabe sein, wenn er an die Bearbeitung der zweiten Auflage […] herangeht, die ich ihm von Herzen wünsche.[2]
Gründe für dieses in beiden Fällen (Holzheimer / Herwig) aufkommende Gefühl gibt es viele. Zum einen ist hierbei die weiter unten noch zu thematisierende z. T. ungewöhnlich anmutende Wortwahl bei Holzheimer zu nennen.[3] Zum anderen ist auf die (Nicht-)Verwendung der neuesten Sekundärliteratur zu verweisen. Holzheimer bietet eine sehr knapp gehaltene allgemeine Bibliographie (S. 209f.), die ca. 70 Werke umfasst und dann eine mit nur 19 Publikationen sehr kurze mit der Überschrift „Mitglieder der Familie Haushofer“ (S. 210f.) versehene Aufstellung von „innerfamiliären“ Arbeiten.[4] Herwigs Monographie weist ebenfalls ein nur sehr rudimentäres und – was ungewöhnlich ist – kommentiertes Literaturverzeichnis auf, dass er „A Note on Sources“ (S. 251-256) nennt.
Bei der Lektüre der beiden Monographien zeigt sich, dass einige relevante Publikationen der jüngeren Vergangenheit hier nicht berücksichtigt wurden. Während dies bei Herwig zumindest z. T. daran liegt, dass das Manuskript vermutlich bereits 10-15 Jahre vor der Drucklegung weitgehend abgeschlossen war, ist bei Holzheimer die bewusste Umgehung einzelner Autoren offensichtlich. Wer eine Diplomarbeit der Universität Wien (Ortner, 2009) ebenso wie einen online publizierten Aufsatz von Nicola Bassoni (2019) anführt, von dem kann man erwarten, dass er auch Monographien wie diejenigen von Holger H. Herwig (2016) und Christian W. Spang (2013 u. 2018) – alle drei mit „Karl Haushofer“ im Titel – oder die jüngsten Publikationen von Ingvild Richardsen zur bayrischen Frauenbewegung zur Kenntnis nimmt und im Literaturverzeichnis anführt. Statt sich jedoch auf die jüngsten Publikationen zu berufen, erwähnen Herwig und Holzheimer die Werke von Frank Ebeling (1994) und Bruno Hipler (1996), die man (mit Verlaub) – neben Herwigs Buch – wohl zu den fragwürdigsten Nachkriegs-Publikationen zum Thema Haushofer rechnen muss.[5]
Ohne einen umfassenden Überblick über die gesamte bisherige Haushofer-Forschung zu haben, konnten beide Autoren zwangsläufig nicht beurteilen, was neu ist und was nicht. Beide tun – mangels oder trotz besseren Wissens sei hier dahingestellt – auf dieser unvollständigen Grundlage so, als würden sie sehr viel Neues von sich geben, obwohl das Allermeiste, was Herwig und Holzheimer bieten, an anderer Stelle bereits zu finden ist. Als Leser hat man den Eindruck, dies sei – um mit Waentig zu sprechen – geschehen, um „sich auf Kosten der Sache in Szene zu setzen“.
Eine Überblicksdarstellung zur Gelehrten- und Künstlerfamilie Haushofer fehlte bisher, und sie fehlt – um diesen Punkt hier bereits vorwegzunehmen – weiterhin. Holzheimers neuestes Buch kann diese Lücke nicht schließen. Allein schon die unausgewogene Gewichtung der in dem Werk zusammengefassten (Kurz-) Biographien widerspricht dem immer wieder postulierten Anspruch, eine Familienchronik vorlegen zu wollen; zu unterschiedlich ist die Länge der jeweiligen Kapitel. Der umfangreichste Beitrag (über Karl E. Haushofer, S. 67-127) ist mehr als doppelt so lang wie der Zweitlängste (über Albrecht Haushofer, S. 145-175). Kombiniert sind beide Texte deutlich umfangreicher als alle übrigen Personenvorstellungen zusammen. Die Dimension der Unausgewogenheit zeigt sich aber vor allem daran, dass das längste Kapitel mehr als viermal so lang wie das Drittlängste (über Martha Haushofer, S. 129-143) und unglaubliche fünfzehn- bis zwanzigmal so lang ist wie die kürzesten Beiträge über Emma Haushofer-Merk (S. 57-59) und Marie Haushofer (S. 61-65), die zudem noch mit je vier z.T. großflächigen Illustrationen reich bebildert sind, wodurch de facto nur zwei bzw. zweieinhalb Textseiten verbleiben.
Allein schon angesichts ihres geringen Umfangs können beispielsweise die erwähnten Beiträge zu Emma Haushofer-Merk und Marie Haushofer kaum etwas Neues bieten, was eine vertane Chance darstellt. Eine Familienchronik im eigentlichen Sinne wäre zweifellos der richtige Ort, die Rolle der weiblichen Familienmitglieder in einer Zusammenschau stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Angesichts einer hinreichend großen Zahl bekannter künstlerischer (Marie), schriftstellerischer (Emma) bzw. im weitesten Sinne journalistischer Werke (Martha) und einem alle drei Frauen verbindenden Thema – nämlich der Emanzipationsbewegung des frühen 20. Jahrhunderts – wären hierfür alle Voraussetzungen gegeben (gewesen). Kaum nachvollziehbar ist zum Beispiel, warum im Literaturverzeichnis keine einzige Arbeit von Martha Haushofer zu finden ist. Karl E. und Marie Haushofers Bruder Alfred ist das einzige Mitglied des engeren Familienkreises, dem Holzheimer nicht einmal eines seiner Mini-Kapitel widmet. Warum das so ist, bleibt unklar.[6]
Schon bevor man mit der Lektüre von Holzheimers Buch beginnt, ist also klar, dass die einzelnen Familienmitglieder nicht annähernd gleichberechtigt behandelt werden. Im Titel des ersten und letzten Kapitels taucht jeweils das Hartschimmel-Areal oberhalb des Ammersees auf und der Hof sowie die ihn umgebende Landschaft spielen dann auch in beiden Kapiteln gewissermaßen die Hauptrolle, was allerdings angesichts der Tatsache, dass es Martha Haushofers Vater Georg Ludwig Mayer-Doss gewesen war, der das Anwesen im Jahr 1900 gekauft hatte, und das heutige herrschaftliche Gutshaus erst 1923/24 von Karl und Martha Haushofer erbaut worden war, übertrieben scheint. Maximilian, Max, Karl (von), Emma, Marie und Alfred Haushofer haben mit dem Hartschimmel nichts zu tun. Dieser von Holzheimer ignorierte Umstand, in Kombination mit der Tatsache, dass auch das Kapitel zu Heinz Haushofer „Fortsetzung bäuerlicher Bestimmung“ (S. 177-189) vergleichsweise umfangreich ist, macht deutlich, wie sehr sich der Autor auf die Kernfamilie Karl E. Haushofers konzentriert, was einerseits verständlich ist, weil deren Schicksal zugegebenermaßen sehr vielschichtig und interessant ist, andererseits aber das Konzept des Buches ad absurdum führt, stellt Holzheimer auf diese Weise doch gerade die vier Haushofers am intensivsten vor, über die die Öffentlichkeit ohnehin schon am meisten weiß.
Hilfreich ist der im Kapitel „Der Hartschimmel“ vorhandene „Stammbaum der Familie Haushofer“ (S. 17). Aber es gibt auch hier Anlass zur Kritik. Erstens mag die sehr kleingedruckte weiße Schrift auf dunkelgrauem Hintergrund möglicherweise Designer erfreuen, die Leserschaft jedoch eher nicht. So mancher wird sich schwertun, die Namen und die kurzen biographischen Anmerkungen zu entziffern. Außerdem ist unklar, warum Rainer (*1929) und Hubert (*1932), die zwei ältesten Söhne Heinz Haushofers, weder auf Seite 16 im Text noch auf Seite 17 im Stammbaum namentlich erwähnt werden, während Monika (*1934), Martin (*1936) und Andrea (*1940), die Kinder aus der zweiten Ehe, verzeichnet sind. Dass von der darauffolgenden Generation (also der Enkel Heinz Haushofers) schließlich nur die einzige Enkelin genannt wird, die sechs Enkel jedoch nicht aufgeführt werden, ist zumindest inkonsequent. Gerade in einem Familienstammbaum ist dies unangemessen, da auf diese Weise der Eindruck entsteht, die Familie – zumindest jedoch der Name Haushofer – sei ausgestorben. Tatsächlich stammen gerade von Rainer und Hubert Haushofer viele Familienmitglieder ab, die den Namen Haushofer (weiter)tragen.
Holzheimers Schreibstil ist sehr speziell und stellenweise schwülstig, was das Lesevergnügen für Freunde des klaren Wortes deutlich trübt. Gleich auf der ersten Textseite (S. 9) beschreibt Holzheimer z. B. das Anwesen auf dem Hartschimmel wie folgt: „Man könnte meinen, Eingang ins Paradies auch im Diesseits gefunden zu haben.“ Ein paar Zeilen weiter steigert er dies mit „dieses beinahe märchenhafte Idyll“, um dann auf Seite 10 – in Zitatform aber ohne Beleg – vom „Juwel bayrischer Landschaft“ zu sprechen. Eine Seite weiter spricht er von dem „Gefühl, er [gemeint ist der Hartschimmelhof, Anm. CWS] müsse schon immer hier gestanden sein. Und dass alles Glück dieser Erde auf ihm versammelt sein muss, dass man sich nur denken kann, wie er so weltabgeschieden und in aller Eintracht mit sich selbst und mit seiner Umgebung daliegt […].“
Immer wieder schweift der Autor (zu) weit ab. So z. B. direkt im Anschluss an das obige „Juwel“-Zitat, wo Holzheimer unvermittelt Homer und Troja erwähnt oder nach dem „Glücks“-Zitat, wo er zur Eiszeit abschweift. Auch sein Exkurs zu René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibniz und Kurt Huber (die Weiße Rose) auf Seite 14 ist eher verwirrend als erhellend. Ein letztes Beispiel – zu finden auf Seite 13 – für die Theatralik des Autors sei hier gestattet: „Der Kampf, der über die Jahrtausende hindurch auf dem Moränenhügel in der Natur stattgefunden hat, setzt sich in den einzelnen Biographien der Haushofers vor allem auch auf politischer Ebene fort.“
Das ganze Buch – insbesondere aber die Kapitel zu Maximilian (1811-1866) und zu Karl E. Haushofer (1869-1946) – ist eine Anhäufung von Zitaten, die nicht selten unkommentiert (und z. T. ohne Quellenangabe) wiedergegeben werden. Immer wieder sind zudem Absätze derart zusammenhanglos aneinandergereiht, dass der Eindruck entsteht, der Autor habe einen Zettelkasten alten Stils peu à peu „abgearbeitet“. Ein Beispiel für derartige, die Leser verwirrende chronologische oder inhaltliche Sprünge findet sich am Ende des Albrecht Haushofer Kapitels auf Seite 174. Hier gelangt Holzheimer übergangslos von der zeitgenössischen Rezeption von Albrecht Haushofers Römerdramen zu einer heute in Berlin zu findenden Haushofer-Büste.
Das Lesevergnügen trüben aber nicht nur der Schreibstil und die Sprunghaftigkeit, sondern auch das dem Autor offensichtlich fehlende Verständnis dafür, was zur „Story“ gehört und was zwar interessant ist, aber nichts mit dem zentralen Betrachtungsgegenstand zu tun hat (und daher weggelassen werden sollte). Beispielsweise schreibt Holzheimer auf Seite 92 Folgendes: „Eine Woche später, am 18. Mai 1941 wird Karl Haushofer von der Gestapo verhört, und zwar von Brigadeführer Müller.“ Nun erwartet man, dass jener „Gestapo-Müller“ relevant ist. Tatsächlich taucht er auf Seite 106 ein weiteres Mal auf und zwar in Form einer fast wortgetreuen Wiederholung: „Eine Woche nach seinem [d. h. Heß‘, Anm. CWS] Flug, am 18. Mai 1941 wird Karl Haushofer von der Gestapo verhört, und zwar von Brigadeführer Müller.“ Hier tut sich dann aber gewissermaßen eine Sackgasse auf, denn danach hört man im ganzen Buch von jenem Herrn Müller nichts mehr. Dieser Umgang mit irrelevanten Informationen ist verwirrend.[7]
Auch die relativ häufigen Erwähnungen von Thomas Mann und anderen Mitgliedern der Mann-Familie und gelegentliche Verweise auf Goethe kann man als weitere Beispiele für einen Stellenweise fehlenden Fokus des Autors auf die eigene „Story“ anführen. Dazu passt auch, dass Holzheimer im Karl E. Haushofer Kapitel nicht nur den Haushofer-Bekannten Stefan Zweig immer wieder zitiert, sondern auch Kommentare aus den zeitgenössischen Aufzeichnungen von Hans Carossa, Ernst Jünger, Erich Kästner und Victor Klemperer, die allerdings in keinerlei unmittelbarer Verbindung mit Karl E. Haushofer standen. In diesem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass auf den ersten Seiten des Karl E. Haushofer Kapitels Kaiser Wilhelm II. ebenso oft namentlich erwähnt wird wie Haushofer selbst, was auf Seite 74 in der implizit zum Ausdruck gebrachten – wie es scheint Goldhagen-inspirierten[8] – Kontinuitätsthese vom Kaiser über Hindenburg zu Hitlers Holocaust gipfelt:
Ist es verwunderlich, dass sein [gemeint war Wilhelm II., Anm. CWS] ehemaliger Generalfeldmarschall Hindenburg einen Hitler zum Kanzler ernennt? Und Hitler 1941 einen Kranz zum Begräbnis von Wilhelm II. schickt? Und dass dieser Hitler sich genau an das Werk macht, das Wilhelm II. imaginiert? Vertilgt und rottet aus, mit Gas die Juden.
Abgesehen von der völligen Ignorierung der Weimarer Republik, stellt sich hier vor allem die Frage, was das alles unmittelbar mit dem eigentlichen Thema des Buches, nämlich der Münchner Gelehrten- und Künstlerfamilie Haushofer zu tun hat.
Im Fall von Karl E. Haushofer spricht Holzheimer immer wieder davon, dieser sei Professor gewesen. Nirgends klärt er seine Leser allerdings darüber auf, dass Haushofer lediglich „Honorarprofessor“ war. Von 1933 bis 1939 durfte er zwar den Titel eines Ordentlichen Professors führen, hatte aber de facto nie einen eigenen Lehrstuhl (ja nicht einmal ein eigenes Büro) an der Ludwig-Maximilians-Universität. Haushofer strebte dies aber auch gar nicht an, weil sein Ruhegehalt als Offizier a. D. ihm ein sorgenfreies Leben und Zeit für seine Arbeit im Bereich der Außen-, Geo- und Volkstumspolitik ließ. Ob Holzheimer sich dieser Umstände bewusst war, lässt sich seiner Darstellung nicht entnehmen.
Haushofers Militärkarriere endete im Zuge seines Ausscheidens aus der Armee mit der Beförderung zum Generalmajor. Er war also kein „Weltkriegsgeneral“ im eigentlichen Sinn. Davon, dass er – wie Holzheimer auf Seite 68 schreibt – „schier schwindelerregende Ranghöhen“ erreicht habe, konnte keine Rede sein. Im aktiven Dienst war er nicht über den Rang eines Obersts hinausgekommen und jenseits des Generalmajors (kein Stern) hätten im Kaiserreich noch fünf weitere Rangstufen gewartet, nämlich Generalleutnant (ein Stern), General (zwei Sterne), Generaloberst (drei Sterne), Generaloberst mit Rang eines Generalfeldmarschalls (vier Sterne) und Generalfeldmarschall (zwei gekreuzte Marschallstäbe).
Holzheimers negative Beurteilung der Geopolitik (S. 85-91) beruht auf dem Trugschluss, man könne von Karl E. Haushofers geopolitischen Vorstellungen im Besonderen auf die Geopolitik im Allgemeinen schließen, was nicht zuletzt aufgrund der Zeitgebundenheit der deutschen Anti-Versailles-Geopolitik naturgemäß in die Irre führen muss. Wie der Aufstieg Hitlers und der NSDAP so ist auch die Haushofer’sche Geopolitik ohne den Ersten Weltkrieg und dessen Folgen nicht erklärbar (was selbstredend nicht mit „entschuldbar“ gleichzusetzen ist). Holzheimer geht in seinem Buch mit Karl E. Haushofers Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus hart ins Gericht, was durchaus angebracht ist. Allerdings ignoriert er einige Aspekte, die dessen Handeln angesichts der Zeitumstände z. T. nachvollziehbar erscheinen lassen. Karl E. Haushofer hatte Rudolf Heß 1919/20 zu einer Zeit kennengelernt, als es noch gar keine NSDAP gab. Dass er später – selbst nach den „Nürnberger Gesetzen“ und den November-Pogromen 1938 – an dieser Freundschaft unverrückbar festhielt, kann man einerseits fragwürdig finden, andererseits waren es ja gerade die „Schutzbriefe“ von Heß, die den Haushofers lange Zeit ein „normales“ Weiterleben ermöglichten. Eine Emigration wäre angesichts des Bekanntheitsgrades von Karl und Albrecht Haushofer extrem schwierig gewesen und hätte andere Familienmitglieder in große Gefahr gebracht.
Als vorletzten Abschnitt des Karl E. Haushofer Kapitels findet man „Was bleibt“ (S. 123-125). Gewöhnlich würde man an dieser Stelle eine Art Resümee erwarten, tatsächlich folgt hier eine Darstellung zu Karl E. Haushofers Einsatz für den Erhalt der „Wacholderheide“ auf dem Hartschimmel und einige Kommentare zum künstlerischen Wert der sog. Lebensbücher der Haushofers. Das wirklich letzte Unterkapitel heißt dann bezeichnenderweise „Abschließendes Nicht-Urteil“ und referiert lediglich Stefan Zweigs hinreichend bekannte Einschätzungen zu Karl E. Haushofer.
Häufig fehlen in Holzheimers Buch wichtige Informationen, so z. B. im Maximilian Haushofer Kapitel. Dass dieser „Hauslehrer“ (S. 23) bzw. „Zeichenlehrer“ (S. 26) am bayrischen Königshof war, erklärt beispielsweise nicht hinreichend, wie es dazu kam, dass König Max I. Patenonkel von Max Haushofer (1840-1907) wurde. Wichtiger noch ist, dass man sich nach der Lektüre des Kapitels fragt, was genau Maximilian Haushofer zwischen 1848 und seinem Tod 1866 gemacht hat. War er – nach seiner sehr kurzen „Karriere“ (1844-1848) als Professor in Prag – freischaffender Künstler?[9]
Ein weiteres Beispiel: Die Erläuterungen auf der ersten Seite (S. 35) des Beitrages zu Karl (von) Haushofer (1839-1895), dem älteren Sohn Maximilian Haushofers, widersprechen sich nicht nur, sie stimmen z. T. wortwörtlich mit dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag überein.
Nach zweijähriger Praxis im Eisenhüttenwesen habilitierte er sich 1865 als Privatdozent für Mineralogie an der Universität München. 1868, bei der Gründung der Technischen Hochschule München wird er Nachfolger des Mineralogen Franz von Kobell […].[10]
Im weiteren Verlauf der Darstellung verheddert Holzheimer sich in Widersprüche. Während der oben zitierte zweite Satz klar und deutlich 1868 als Jahr des Dienstantritts von Karl (von) Haushofer an der Hochschule ausweist, geht es bei Holzheimer wie folgt weiter:
Schon vor seiner Emeritierung erbittet und verlangt damit Kobell immer wieder von seinem Assistenten Haushofer, universitäre Pflichten für ihn zu übernehmen und als Vertretung einzuspringen. […] so zum Beispiel am 20. November 1874. Einmal wird er von Kobell gleich für ein ganzes Semester zum Vertreter bestellt, am 9. April 1882.
An dieser Stelle fügt Holzheimer Anmerkung 26 ein, die wie folgt lautet: „Privatarchiv Haushofer“, womit man kaum etwas anfangen kann. Eine genauere Erläuterung zu den fraglichen Dokumenten (1874 u. 1882) und zum exakten Fundort wäre nötig gewesen. Im Frühjahr 1882 war Karl (von) Haushofer zudem bereits seit ca. 14 Jahren Professor und Kobell stand im 79. Lebensjahr. Er starb am 11. November des gleichen Jahres. Auch in anderer Hinsicht ist der erste Satz verwirrend: Was bedeutet das „Schon“ in Kombination mit „vor“ am Satzanfang? Nach Kobells Emeritierung war Karl (von) Haushofer ja nicht mehr dessen Assistent. Auch das „damit“ im gleichen Satz hängt völlig in der Luft.
Am Anfang des Karl E. Haushofer Kapitels zitiert Holzheimer diesen auf Seite 68 folgendermaßen:
Er schreibt, „dass er von den Geschichten der Großeltern über die Schwierigkeiten und Unsicherheiten des künstlerischen Berufslebens geprägt wurde, und ihm somit die Unterstützung des bayrischen Hofes im Militärdienst als interessante und würdige Berufswahl erschien, zumal er den Prinzregenten Luitpold sehr bewundert.“
Die Formulierung „Er schreibt, ‚dass er […]‘“ macht einen stutzig. Wer schreibt schon über sich selbst in der dritten Person? Die dazugehörige Anmerkung 105 verweist auf Hans-Adolf Jacobsen, Karl Haushofer. Leben und Werk, 1979, Band 1, Seite 17. Dort steht zwar etwas inhaltlich Ähnliches, jeglicher Hinweis auf die Wittelsbacher fehlt jedoch.[11] Vergleichbar ist die Situation auf Seite 77. Auch hier ist in Zitat-Form in der dritten Person von Karl E. Haushofer die Rede. Wieder verweist Holzheimer auf Jacobsen 1979 (Bd. 2, S. 38 u. 71) bzw. auf darin abgedruckte Briefe Haushofers. Erneut ist der entsprechende Text dort jedoch nicht zu finden.
Angesichts einiger anderer vergleichbarer Problemstellen[12] steht zu befürchten, dass eine genaue Überprüfung des Gesamtmanuskripts weitere zu beanstandende Stellen zutage fördern würde. Auf Seite 134 heißt es beispielsweise im Martha Haushofer Kapitel wie folgt: „Ohne Abitur ist es nur einer Sondergenehmigung zu verdanken, dass sie [gemeint war Martha Haushofer, Anm. CWS] 1898 als Hörerin für die Veranstaltungen der Universität München zugelassen wird.“ Es bedarf nur wenig Fantasie, hierbei die Wikipedia-Formulierung zu erkennen: „Mit einer Sondergenehmigung wurde sie 1898, ohne Abitur, als Hörerin für die Veranstaltungen der Universität München zugelassen.“[13] Jenseits der sprachlichen und inhaltlichen Ähnlichkeit kommt hinzu, dass die Aussage unzutreffend ist. Martha Haushofer hatte nicht 1898 begonnen, Universitätsveranstaltungen zu besuchen, sondern erst 15 Jahre später, nämlich 1913. Im familieninternen „Lebensbuch“ Martha Haushofers ist dies wie folgt notiert: „4.XI. [1913:] […] für M[artha]. die Hörerlaubnis […] erlangt. Zum erstenmal gemeinsam [mit Karl E. Haushofer, Anm. CWS] in die Vorlesung; […] Für M[artha]. endlich Erfüllung, wenn auch nur halb, als Dilettantin, eines seit 1892 gehegten Lebenswunsches.“[14] Sowohl der Begriff „zum erstenmal“ als auch die Formulierung „Erfüllung […] eines […] Lebenswunsches“ sprechen eindeutig dagegen, dass sie vor 1913 bereits Gasthörerin an der LMU gewesen war.
Im gleichen Kapitel wird auf Seite 135 darauf verwiesen, dass Martha Haushofer an einem Samstag den 27. März einen Vortrag über „Respekt vor der Arbeit“ gehalten hatte. Angekündigt war sie dabei auf dem entsprechenden Plakat – laut Holzheimer – als „Frau Professor Martha Haushofer“. Da das Jahr des Vortrages auf dem Plakat nicht angegeben war, begnügt sich Holzheimer mit dem Zusatz „(leider ohne Jahresangabe)“. Wenn man die Kalender der Jahre 1918 bis 1945 durchsieht, ergeben sich nur vier Jahre, bei denen der 27. März auf einen Samstag fällt, nämlich 1920, 1926, 1937 und 1943. Dass Martha Haushofer nach der Verkündung der „Nürnberger Gesetze“ noch öffentlich als Rednerin auftrat, ist unwahrscheinlich. Die Ernennung ihres Mannes zum Honorarprofessor erfolgte erst im Frühjahr 1921, weshalb alles dafürspricht, dass der Vortrag am 27. März 1926 stattgefunden haben müsste. Dass es unter diesem Datum allerdings in Martha Haushofers Tagebüchern weder 1926 noch 1920 oder 1937 irgendwelche entsprechenden Hinweise gibt, ist dann jedoch sehr erstaunlich und wirft Fragen auf.[15]
Immer wieder fehlen Belege für das Dargelegte, was die Aussagen des Buches erheblich schwächt: So ist z. B. im Kapitel zu Albrecht Haushofer die Darstellung im Abschnitt „Brief an Prinz Hohenlohe“ (S. 159-162) nicht wirklich nachvollziehbar, wenn man nicht weiß, wer der Prinz überhaupt war, und ob bzw. was er mit dem Widerstand zu tun hatte. Holzheimer jedoch geht mit keinem Wort auf diese Fragen ein. Woher die zur Schau gestellte Sicherheit kommt, dass das (vermeintliche) „P.“ am 20. Juli 1944 im Taschenkalender Albrecht Haushofers (S. 161) für den konservativen Widerstandskämpfer Johannes Popitz steht, erfährt man ebenfalls nicht.[16] Gerne wüsste man auch, warum Albrecht Haushofer 1944 einen niederländischen Kalender verwendete (Abb. S. 161). Aber auch dazu äußert sich Holzheimer nicht.
Eine Reihe von im Buch verwendeten Vergleichen „hinkt“, so z. B. wenn die gesellschaftlichen Zusammenkünfte im Hause des Verlegerehepaars Hugo und Elsa Bruckmann im München der 1920er Jahre (S. 78ff.) mit den von Albrecht Haushofers Schulfreund, Hermann Heimpel, beschriebenen Vorträgen Karl E. Haushofers für eine Gruppe von Gymnasiasten nach dem Ersten Weltkrieg (S. 80f.) – durch die Verwendung des Oberbegriffs „Salon“ – gleichgesetzt werden.[17] Während man die Gesellschaften im Hause Bruckmann oder Pringsheim (S. 83) zweifellos als „Salon“ bezeichnen kann, haben die Privatstunden im Hause Haushofer damit nichts zu tun.
Ein weiterer fragwürdiger Vergleich ist die implizite Gleichsetzung von Dachau mit Auschwitz auf Seite 110. Karl E. Haushofer, der im Sommer 1944 ca. fünf Wochen im KZ Dachau in „Ehrenhaft“ inhaftiert war, konnte zwar – wie Holzheimer klar zum Ausdruck bringt – von seinem Zellenfenster aus das Krematorium des Konzentrationslagers nicht sehen, dennoch glaubt Holzheimer genau zu wissen, dass Haushofer Erschießungen habe hören können und dass es unmöglich gewesen sei, den Geruch des Krematoriums nicht zur Kenntnis zu nehmen. Holzheimer schreibt Folgendes:
Der gewaltige Ausstoß von Rauch und der Geruch von verbranntem Menschenfleisch kann von niemandem unbemerkt bleiben. „Der Gestank alleine, wenn Menschen verbrannt werden, das riecht man Jahre, Jahre hat man den in der Nase drin‘ schreibt KZ-Häftling Höllenreiner: Den vergesse ich nie.“ Nichts [sic.] zu bemerken, was in dieser Ausgeburt der Hölle passiert, ist also nicht möglich.
Höllenreiner war jedoch 1943 nach Auschwitz-Birkenau und nicht nach Dachau gekommen. Das Konzentrationslager Dachau war ein schreckliches „Zuchthaus“, das viele Insassen nicht überlebten, Auschwitz-Birkenau war dagegen ein Vernichtungslager, das darauf ausgelegt war, dass keiner überleben sollte.
Ungenauigkeiten, aber auch Überinterpretationen sind in allen Teilen des Buches zu finden. Im Kapitel Max Haushofer stellt Holzheimer z. B. auf den Seiten 44-45 die These auf, Thomas Mann habe Max Haushofer in dem Roman Königliche Hoheit in der Figur des „Staatsminister Dr. Baron Knobelsdorff“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Begründung überzeugt jedoch nicht. Erstens hatte Max Haushofer zwar einige Jahre im bayrischen Landtag gesessen, also der Legislative angehört, niemals jedoch ein Regierungsamt (Exekutive) ausgeübt. Zweitens war zwar sein Bruder Karl (von) Haushofer (1891) in den persönlichen Adelsstand erhoben worden, nicht jedoch Max Haushofer. Drittens passt die folgende Charakterisierung Knobelsdorffs durch Mann in keiner Weise auf Max Haushofer: „Er war weit gereist, er kannte den Erdball“. Martha Haushofer, die Schwiegertochter Max Haushofers schrieb 1909 – zwei Jahre nach dessen Tod – in einem Brief an ihre Eltern Folgendes über die Weltfremdheit ihres Mannes und Schwiegervaters:
K[arl]. wäre wohl am glücklichsten geworden, wenn er wie sein Vater u. Bruder sein Lebtag nicht über Chiemsee u. München hinausgekommen wäre; und die Liebe zur Heimat ist die stärkste Leidenschaft, die er kennt. Außerhalb der engeren Heimat vegetiert er nur.[18]
Auch an einer anderen Stelle ist eine Aussage Holzheimers zu einer literaturwissenschaftlichen Frage in Bezug auf die Haushofers unzutreffend. Auf Seite 171 beschreibt er das Sonett zurecht als eine stark reglementierte Form der europäischen Lyrik und führt weiter aus: „Ebenso streng ist die Abfolge der Reime vorgegeben: abba, abba, cde, cde, wobei bei den Terzetten geringfügige Variationen möglich sind.“ Untersucht man das direkt oberhalb der erwähnten Aussage Holzheimers zitierte Sonett „Albrecht“ von Karl E. Haushofer, so stellt man fest, dass hier das Reimschema abba, abba, cde, edc vorliegt. Alle anderen von Holzheimer im Text zitierten Sonette Albrecht Haushofers (Der Vater: S. 67, Die Mutter: S. 129, Acheron: S. 138, Schuld: S. 169, Heimat: S. 175, Der Bruder: S. 182) weisen das Reimschema „abba, abba, cdd, cee“ auf, was im Übrigen für alle 80 Moabiter Sonette gilt. Keines der Haushofer’schen Sonette entspricht also dem, was Holzheimer einfordert.
Einige weitere „historische“ Ungenauigkeiten seien hier abschließend noch korrigiert: Anders als angedeutet (S. 20), war Karl E. Haushofer zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Er hat auch niemals für die Gesellschaft für Erdkunde gearbeitet, eine Behauptung, die auf Seite 69 in die Welt gesetzt wird. Wenn es auf Seite 85 heißt, seine Militärberichte seien „Grundlage der Habilitierung Karl Haushofers“ gewesen, so ist dies irreführend, da Haushofer zum Zeitpunkt der Japan-Mission ja noch keinen Doktortitel hatte. Sinnvoller und näher an der historischen Wahrheit wäre es daher im Text „Habilitierung“ durch „Promotion“ zu ersetzen. Die Behauptung (S. 119), dass Rudolf Heß „Leiter des ‚Rassenpolitischen Amtes der NSDAP‘ war“, ist unzutreffend. Leiter war Walter Groß. Das Amt war dem „Stellvertreter des Führers“ zwar – wie sehr viele andere Parteieinrichtungen auch – institutionell unterstellt, was aber etwas völlig anderes ist. Auf Seite 146 schreibt Holzheimer, Albrecht Haushofer sei „bis 1938 Herausgeber der Zeitschrift Geopolitik“ gewesen, was falsch ist. Albrecht Haushofer war mit der Zeitschrift für Geopolitik zwar bis Herbst 1939 eng verbunden, Herausgeber war allerdings sein Vater, anfangs in Kooperation mit anderen, ab 1931/32 schließlich alleine.
Will man ein Fazit ziehen, so kommt man nicht umhin festzuhalten, dass Holzheimers Monographie inhaltlich z. T. problematisch ist und definitiv keine Familienchronik der Haushofers darstellt. Eine ausgewogene Gesamtdarstellung zu den verschiedenen mit der bayrischen ebenso wie deutschen oder gar europäisch-asiatischen Geschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts z.T. eng verwobenen Repräsentanten der alteingesessenen Münchner Gelehrten- und Künstlerfamilie bleibt demnach weiterhin ein Desiderat der Forschung.
Anmerkungen
[1] Gerd Holzheimers in seinem Buch Über die Schwelle. Die Familie Haushofer in Kunst, Wissenschaft und Politik, München, 2023, vertretene These, Albrecht Haushofer sei „das bekannteste Mitglied der Familie Haushofer“ (ibid., S. 169), über den „mehr noch als über Karl Haushofer […] publiziert worden“ (ibid., S. 154 ) sei, ist nicht zuletzt aufgrund der Fülle dessen, was seit den 1930er und 40er Jahren im Ausland über Karl E. Haushofer publiziert worden ist, unhaltbar. Um nur die wichtigsten relevanten Monographien anzuführen, sei auf die folgenden Arbeiten verwiesen. Zu Karl E. Haushofer: Hans-Adolf Jacobsen, Karl Haushofer. Leben und Werk, 2 Bände, Boppard, 1979, und Christian W. Spang, Karl Haushofer und Japan, München, 2013 u. derselbe, Karl Haushofer und die OAG, München, 2018. In den 1940er Jahren publizierten in den USA u. a. Andreas Dorpalen, Hans W. Weigert und Edmund A. Walsh zur deutschen Geopolitik und Karl E. Haushofer. In Japan wären z. B. Yūzō Deguchi, Jōji Ezawa und Shoichirō Satō zu nennen, die alle zur gleichen Zeit Bücher mit dem Wort „Haushofer“ im Titel publiziert hatten. Zu Albrecht Haushofer ist auf Ursula Laack-Michel, Albrecht Haushofer und der Nationalsozialismus, Stuttgart, 1974, sowie, Ernst Haiger et al., Albrecht Haushofer, München, 2002, zu verweisen. Zu Martha Haushofer sind neben verschiedenen z. T. web-basierten Kurzvorstellungen von Ingvild Richardsen insb. Tilde Bayers Beitrag „Mit der Mischung geht’s also doch tüchtig vorwärts“, in: Ilse Thomas et al. (Hrsg.), Zeitenwandel: Frauengenerationen in der Geschichte Mannheims, Manheim, 1995, S. 48-64, und Cornelia Lüdeckes Artikel „,Treue und unentwegte Mitarbeiterin‘: Martha Haushofers Anteil an der Entwicklung der Geopolitik“, in: Geohistorische Blätter, Bd. 7-2 (2004), S. 137-154, zu erwähnen.
[2] Siehe Heinrich Waentig, „Dai Nihon […]“, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 102-3 (1914), S. 386-391, Zitat S. 390f. Waentig hatte Ende des 19. Jahrhunderts u.a. in München Nationalökonomie studiert und dürfte daher Max Haushofers Arbeiten gekannt haben. Er war zudem 1909-13 an der Kaiserlichen Universität Tokyo tätig und hatte Karl (und Martha) Haushofer 1910 in Japan getroffen. 1930 war er für die SPD kurzzeitig preußischer Innenminister. Zur Waentig-Haushofer Kontroverse siehe Spang, 2013, S. 123-127.
[3] Siehe hierzu einige Beispiele. Seite 12: „angesichts eines Ackerversuchs“; Seite 19: „reisen sie gemeinsam in den Jahren zwischen 1908 und 1910 dorthin [Japan].“ Seite 158: „Ihnen geht es darum, den bestehenden Lebensraum zu vergrößern.“ Man fragt sich beim Lesen, was ein „Ackerversuch“ ist, wann, wie oft oder wie lange Martha und ihr Mann nach Japan gereist waren und wie man einen „bestehenden Lebensraum“ vergrößern kann. Sehr auffällig ist auch die Verwendung des Wortes „Grundierung“ auf Seite 74. Holzheimer geht hier mit folgenden Worten auf den Einfluss Martha Haushofers auf ihren Mann ein: „[…] womit sie auch großen Anteil seiner wissenschaftlichen Grundierung in Richtung Geopolitik hat“. Hier fehlt zum einen offensichtlich ein „an“ nach „Anteil“, zum anderen erscheint auch das „in Richtung“ etwas seltsam zu sein. Man fragt sich, ob Holzheimer hier nicht einen englischen Ausgangssatz mit Google Translate etc. übersetzt hat. Anders lässt sich die Verwendung von „Grundierung“ (einem Fachbegriff der Lackierer / Anstreicher) statt „Grundlage“ kaum erklären: Auf Englisch wird aus beidem gleichermaßen „foundation“.
[4] Aus gegebenem Anlass (worauf weiter unten noch einzugehen sein wird) sei hier darauf verwiesen, dass die Einträge in der deutschsprachigen Wikipedia zu den Mitgliedern der Familie Haushofer deutlich umfangreichere Listen von Primär- und Sekundärliteratur aufweisen. Zur Darstellung Karl E. Haushofers in verschiedenen Wikipedia-Sprachfassungen siehe Christian W. Spang, „How reliable is Wikipedia 18 years after its establishment? A comparative look at various language entries on Karl Haushofer“, in: Outside the Box: A Multi-Lingual Forum (http://otbforum.net/), Bd. 9-1 (2019), S. 35-46.
[5] Siehe Frank Ebeling, Geopolitik – Karl Haushofer und seine Raumwissenschaft 1919-1945, Berlin, 1994, und Bruno Hipler, Hitlers Lehrmeister: Karl Haushofer als Vater der NS-Ideologie, St. Ottilien, 1996. Henning Heske, der sich in den 1980er und 90er Jahren intensiv mit Karl Haushofer und der deutschen Geopolitik befasste, schrieb 1995 in einer mit dem Titel „Haushofers neue Epigonen. Eine Warnung vor der Rehabilitierung der deutschen Geopolitik“ versehenen Rezension zu Ebelings Dissertation, in der Zeitschrift Geographie und Schule, Bd. 17, S. 43-45, Folgendes zu Ebelings Werk: „Als Dissertation ist die Arbeit von Ebeling skandalös, da sie wissenschaftliche Standards mißachtet und einen Rückschritt hinter den aktuellen Forschungsstand bedeutet.“ (ibid., S. 44) Zu Herwigs 2016 in Lanham (Maryland) erschienenen Buch The Demon of Geopolitics sei auf zwei Rezensionen Christian W. Spangs in Central European History, Bd. 52-3 (2019), S. 542-544, sowie in Outside the Box: A Multi-Lingual Forum, Bd. 9-1 (2019), S. 23-34, verwiesen.
[6] Da Karl E. Haushofer den Kontakt zu seinem jüngeren Bruder abgebrochen hatte, könnte man sich fast zu der These versteigen, die Nicht-Berücksichtigung in Holzheimers Buch beruhe darauf, dass der Autor Karl E. Haushofers Blickwinkel übernommen habe.
[7] Jacobsen, 1979, erwähnt Müller in der 15-seitigen Chronik von Karl E. Haushofers Leben (Bd. 1, S. 465-479) auf S. 478 wie folgt: „18.5. [1944] K[arl]. H[aushofer]. wird von Brigadeführer Müller (Gestapo) verhört.“
[8] Der US-amerikanische Historiker Daniel J. Goldhagen veröffentlichte 1996 sein Buch Hitler‘s Willing Executioners: Ordinary Germans and the Holocaust, das noch im gleichen Jahr auf Deutsch erschien. Goldhagen führte die Shoah (fast) ausschließlich auf einen immanenten deutschen Antisemitismus zurück. Zur erregten Debatte darüber sei auf den von Johannes Heil u. Rainer Erb 1998 herausgegebenen Fischer Taschenbuch Sammelband Geschichtswissenschaft und Öffentlichkeit. Der Streit um Daniel J. Goldhagen verwiesen.
[9] Siehe hierzu die in Fußnote 11 zitierten Ausführungen Karl E. Haushofers, die genau dies andeuten.
[10] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Haushofer_(Mineraloge), Stand 16.6.2024. Der oben zitierte erste Satz entsprach im Juni 2024 zu 100% dem Wikipedia-Eintrag. Beim zweiten Satz waren lediglich Nuancen, wie z.B. das Tempus, anders: „1868 bei der Gründung der Technischen Hochschule München wurde er als Nachfolger des Mineralogen Franz von Kobell zum Professor der Mineralogie und Eisenhüttenkunde ernannt.“ Nicht auszuschließen ist, dass nicht Holzheimer von Wikipedia, sondern der bzw. die Wikipedia-Autor(in) von Holzheimer abgeschrieben hat oder Holzheimer der Autor des Eintrages ist.
[11] Jacobsen, 1979, Bd. 1, S. 17: „Und in seinen [gemeint ist Karl E. Haushofer, Anm. CWS] ‚Erinnerungen‘ hieß es später: ‚Meine ganze Jugend aber war umgeben vom Gegenspiel des Anblicks unablässiger, freilich zumeist geistiger Arbeit, mit künstlerischer, aber auch in Arbeit ausmündender schöpferischer Leistung als Vorbild. […] Das Künstlerelend, die Kehrseite der frei schaffenden Kunst, z. B. meines Grossvaters, des Landschaftsmalers und Professors an der Kunstakademie in Prag, lernte ich fürchten: durch die bewegten Klagen meiner langlebigen Grossmutter, seiner Witwe […]; die Kehrseite des akademischen Lebens von meiner […] Grossmama Adelheid Fraas, […] so dass ein Komplex gegen freie und akademische Berufe entstand, die wohl begehrenswert und schön [sind] für den von ihnen Träumenden, aber bedenklich und gefährlich, unsicher im Erfolg und alles eher, als frei, für den darin Steckenden […]. Nur aus ihm erklärt sich die Anziehungskraft des wohlgefügten, als starkes und treues Spalier ins Leben tretenden militärischen Berufs […].‘“
[12] Weitere Fundstellen seien hier kurz erwähnt. Auf Seite 53 (Max Haushofer) heißt es: „Von 1875 bis 1881 vertritt er die Vereinigten Liberalen für den Wahlkreis München in der bayerischen Kammer der Abgeordneten.“ Die entsprechende Wikipedia-Stelle (https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Haushofer_Jr., 15.6.2024) lautet: „Von 1875 bis 1881 vertrat er für die Vereinigte Liberale den Wahlkreis München I in der bayerischen Abgeordnetenkammer.“ Und auch die Stelle zu Martha Haushofers Engagement in der Frauenbewegung auf Seite 134 ist sehr nahe am Wikipedia-Text. Holzheimer: „Ihr Eintritt 1896 in den Verein für Fraueninteressen ist daher nur konsequent. Im Jahr darauf wird sie in den Vorstand gewählt, in dem sie bis 1919 verbleibt.“ Wikipedia: „Im selben Jahr [1896] wurde Martha Haushofer Mitglied eines Frauenvereins, der sich 1899 den Namen Verein für Fraueninteressen e.V. gab. […]. 1897 erfolgte ihre Wahl in den Vorstand, in dem sie bis 1919 verblieb.“ Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Martha_Haushofer, 15.6.2024.
[13] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Martha_Haushofer, 15.6.2024.
[14] Bundesarchiv Koblenz, N 1413, Bd. 1. Lebensbuch, S. 95. Siehe ibid., S. 96: Demnach hatte Martha Haushofer auch nach Beginn des Ersten Weltkrieges ihre Vorlesungsbesuche fortgesetzt.
[15] Jacobsen, 1979, Bd. 1, S. 470, schreibt, die Ernennung Karl E. Haushofers zum Honorarprofessor sei „mit Wirkung vom 22.2.1921“ erfolgt. Die Tagebücher von Martha Haushofer sind nach einer jüngst erfolgten Neuordnung des Nachlasses N 1122 im Bundesarchiv Koblenz in den Bänden 101 und 102 zu finden, nicht jedoch das Tagebuch des Jahres 1943.
[16] Dass es Verbindungen von Albrecht Haushofer zu Popitz gab, ist unstrittig. Bei genauerer Betrachtung des auf Seite 161 vergrößert dargestellten Tagebucheintrags fragt man sich allerdings, ob es sich überhaupt um ein „P“ handelt. Das vermeintliche „P“ sieht deutlich anders aus als das „P“ in „Dr. Prof.“, das Albrecht Haushofer am 19.7.1944 in den gleichen Kalender eingetragen hatte.
[17] Hermann Heimpel, Die halbe Violine, Frankfurt a. M. (Suhrkamp Taschenbuch), 1985, S. 290-294.
[18] Bundesarchiv Koblenz, N 1122, Bd. 148. Brief Nr. 233 Marthas an ihre Eltern, 7.6.1909, S. 1.
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