Zuversicht trotz Klimakatastrophe

Lena Hällmayer reflektiert in „Klimaangst und Wandelmut“ mittels grafischem Erzählen über Strategien des Umgangs mit Klimakrise und über Potenziale nachhaltiger Bildung

Von Torsten MergenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Mergen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zeichnend denkend, so beschreibt die Illustratorin und Kunstpädagogin Lena Hällmayer ihre Herangehensweise an Alltagsfragen und epochaltypische Herausforderungen. Ein gelungenes Beispiel dieser künstlerischen Haltung liegt mit ihrer im Berliner Jaja Verlag erschienenen Graphic Novel Klimaangst und Wandelmut vor. Ausgangspunkt ist die vermeintlich naive Frage eines Kindes: „Mama, geht wirklich demnächst die Welt unter? Werde ich das noch erleben?“ Hällmayers anschauliches und kurzweiliges Buch thematisiert und dokumentiert die Auseinandersetzung mit einer sich in dieser Frage artikulierenden bedrückenden Realität des Klimawandels. Dazu schildert sie ihren subjektiven Umgang mit Strategien, diese überwältigenden Sorgen mental gesund zu verarbeiten, ferner macht sie das Bemühen transparent, Resilienz-Strategien gegen das „Gefühl, Teil der Katastrophe zu sein“, an Kinder und Erwachsene zu vermitteln.

Zwischen Sachcomic, Collagenheft, Dokumentation und Graphic Novel durch einen weitgehend freien Zeichenstyle mit oftmaligem Verzicht auf den klassischen Panelstil mäandernd, intendiert der grafische Hybrid, sowohl autobiografisches Erleben zu veranschaulichen als auch auf das Prozesshaft-Tastende beim Entwickeln von Lösungsstrategien gegen die „menschliche Verdrängungsleistung“ einzugehen. Hällmayers sehr persönlich gehaltene grafische Erzählung dokumentiert wie ein gezeichnetes Protokoll die anfängliche Ratlosigkeit, kulminierend in der Selbsterkenntnis: „Mir das Negative auszumalen, fällt mir sehr leicht.“

Einen großen Teil des Buchs nimmt die Bildung für nachhaltige Entwicklung und folglich das beharrliche Weitermachen und die Suche nach positiven Veränderungsmöglichkeiten ein: Als präsent und drängend klassifiziert dabei die Künstlerin aus der Rolle der Mutter und Pädagogin das Thema in der von ihr geleiteten Klima-Zeichengruppe für „Kinder mit drängenden Fragen und Gefühlen“. Während die 24 jungen Teilnehmenden sich mittels Buntstiften und Wasserfarben der Problematik nähern, indem sie Alltagserfahrungen wie das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung in Bilder gestalten, beschäftigt Hällmayer eine grundsätzliche didaktische Herausforderung: „Wie kann ich den Kindern Zuversicht vermitteln?“ Keineswegs belehrend wird durch das grafische Erzählen über das Reflektieren und Suchen nach möglichen Alltagsveränderungen deutlich, wie groß und widersprüchlich der Raum für Angst, Wut und Hoffnung im Kontext des Klimawandels ist. Unvermittelt und plastisch konfrontiert sie – teils bildgewaltig, teils nuanciert – mit dessen beängstigenden Auswirkungen wie Dürren, Überschwemmungen, schweren Stürmen, Waldbränden oder Hitzewellen. Die Wahrnehmung der Autorin: „Die Krisen multiplizieren sich.“ Vor allem wird grafisch deutlich, welche Ängste vor der Zukunft beziehungsweise Unsicherheiten über das eigene Leben sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch einem Teil der Erwachsenen momentan vorherrschen.

Das Sympathische an Lena Hällmayers Graphic Novel ist, dass sie empathisch herausarbeitet, dass Lösungswege zum Klimaschutz nur langsam und kleinschrittig Wirkung zeigen können. Insofern entwickelt Lena Hällmayer eine ganz eigene Form, brisante Gesellschaftsfragen anzupacken. Mit kurzen Comic-Episoden und illustrierten Tagebuch-Seiten nimmt sie die Lesenden mit auf ihren Gedankengang hin zum Begreifen, dass Klimaschutz eine Frage der Haltung jedes Einzelnen ist. Mit zeichnerischer Vielfalt erzählt Hällmayer exemplarisch, wie sie immer mehr kleine Dinge in ihrem Alltag verändert, beginnend mit weniger Konsum, über das Retten von Essen, bis hin zum Reparieren bzw. dem Reduzieren des Einkaufs immer neuer Waren und Produkte. Die Quintessenz ist evident – mit der Zeit wird erkennbar, dass sich tatsächlich etwas ändert. Aus Angst vor der Zukunft wird Wandelmut, das heißt, innere Haltungsänderung und äußerer Erfolg beim Reduzieren des individuellen ökologischen ‚Fußabdrucks‘.

Die Schlussfrage des Bandes von der zeichnenden Illustratorin an die potenziellen Leserinnen und Leser verdeutlicht die explizit didaktische Intention des Buchs: „Und du? Machst du mit? Und wo treffen wir uns?“ Ökologie und fairer Handel, Verantwortung und Zukunftsoptimismus prägen die Haltung der Autorin und machen die grafische Erzählung zu einer lesenswerten Antwort auf die Frage, wie dem Klimawandel im Alltag begegnet werden kann.

Titelbild

Lena Hällmayer: Klimaangst und Wandelmut.
Jaja Verlag, Berlin 2024.
156 Seiten , 26,00 EUR.
ISBN-13: 9783948904609

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