And now for something completely different

Radikal neue Klassiker von Ulrike Draesner und Barbara Köhler

Von Rolf-Bernhard EssigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf-Bernhard Essig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Da steht plötzlich Shakespeare am Kopierer und vervielfältigt seine einmaligen Sonette so fix, dass aus der "swift-footed time" die "rakete zeit" wie "phœnix" aus der Asche auf- bzw. "niki-lauda" aus dem Brennauto aussteigt. "Radikalübersetzungen" veranstaltet Ulrike Draesner mit 17 Klanggedichten des Schwans von Stratford, und siehe da: Es steckt ein Schaf darin, das Dolly heißt.

Poetisch und poetologisch kitzelt die in Berlin lebende Münchnerin mit "kulturröhrchen" und "rhythmuskanälen" aus den vierhundert Jahre alten Vierzehnzeilern unser Zeitalter der biologischen Reproduzierbarkeit. Über-Lebensgier und Vergänglichkeitshass trieben ja schon den elisabethanischen Dichter um: "That's for thyself to breed another thee". Unangestrengt werden so aus den Sonetten "Reden an einen Klon, Reden des Klons zurück, [...] Reden von Klonen in einer geklonten Welt."

Anders und doch ähnlich bürstet Barbara Köhler in ihren Gesängen die Odyssee gegen den Strich. In fröhlich vorwärts stürmenden, dann wieder widerborstigen Sinn- und Klang-Assoziationen lässt sie, ihrer Kirke gleich, zauberhaft die Sau raus (nicht nur aus Odysseus' Mannen): "gnothi seauton". Dann wieder führt sie unversehens von "nyx" über die "mnemopause" hin zu den Hadesfluten des "Styx".

Sudelbuch-Erfinder Lichtenberg hätte zweifellos seine helle Freude gehabt an diesen "neuen Blicken durch die alten Löcher".

Titelbild

Ulrike Draesner / Barbara Köhler: to change the subject.: Twin Spin / Niemands Frau. Sonette von Shakespeare. Radikalübersetzungen / Gesänge zur Odyssee. Mit einem Vorwort von Peter Waterhouse.
Wallstein Verlag, Göttingen 2000.
56 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 389244403X

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