Die Aufklärung als soziale Bewegung in Europa

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Das 18. Jahrhundert gilt in vieler Hinsicht immer noch als Wegbereiter der modernen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts - sowohl ihrer Errungenschaften als auch ihrer Aporien. Unter den gängigen Epochenbegriff 'Aufklärung' lassen sich eine Vielzahl teilweise gegensätzlicher politischer, sozialer, philosophischer und ästhetischer Entwicklungen subsumieren, deren Darstellung schon in der deutschen Kulturgeschichte allein erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Barbara Stollberg-Rilinger versucht in ihrer Dokumentation "Europa im Jahrhundert der Aufklärung" das Kunststück, die Aufklärung als europäisches Phänomen zu erfassen. Dabei wählt sie einen zweiteiligen Ansatz, um das Epochenproblem (u. a. die begriffliche und zeitliche Eingrenzung) in den Griff zu bekommen: "Wenn hier von dem Jahrhundert der Aufklärung die Rede ist, so sollen [...] stets beide Seiten der Medaille in den Blick genommen werden, sowohl die Vorstellungswelt der Zeitgenossen, ihre Art, die Welt zu interpretieren, als auch die gesellschaftlichen und politischen Strukturen, die neuen Medien und Geselligkeitsformen, die sozialen Gruppenbildungen usw., ohne die die Ideen gar nicht hätten wirksam werden können." Dementsprechend wird die ausführliche Darstellung dieser Strukturen ergänzt von einem vielseitigen Quellenteil, in dem europäische Schriftsteller und Philosophen ebenso zitiert werden wie die Verfassung von Virginia und das Programm der englischen Freimaurer. Damit gelingt es Stollberg-Rilinger auch, die "Widersprüche und Ambivalenzen der Aufklärung" zu verdeutlichen, wie sie z. B. in Theorie und Praxis der Menschenrechte offensichtlich werden.

U. B.

Titelbild

Barbara Stollberg-Rilinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung.
Reclam Verlag, Stuttgart 2000.
408 Seiten, 9,20 EUR.
ISBN-10: 3150170257

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