"Eure Sprache ist auch meine"

Hans J. Schütz führt in die deutsch-jüdische Literaturgeschichte ein

Von Anne NussbaumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anne Nussbaum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts schrieb der Minnesänger Süßkind von Trimberg als erster jüdischer Dichter in deutscher Sprache. Die eigentliche Geschichte deutsch-jüdischer Literatur beginnt aber erst fünf Jahrhunderte später mit der Aufklärung und Moses Mendelssohn, der sich für die Übernahme der Sprache der Mehrheitsgesellschaft, des Deutschen also, einsetzte.

Hans J. Schütz hat diese Geschichte unter dem Titel "Eure Sprache ist auch meine" dargestellt und damit seine 1992 herausgegebene deutsch-jüdische Literaturgeschichte vollständig überarbeitet und erweitert. Wissenschaftliche Impulse will dieses Buch nicht liefern, sondern vielmehr einem möglichst großen Kreis den Zugang zur deutsch-jüdischen Literatur öffnen, welche der Autor in Anschluss an die Schrifstellerin Esther Dischereit als deutsche Kultur versteht. Auf eindeutigere Bestimmungen dieser Literatur will er jedoch verzichten. Vielmehr gehe es ihm um subjektive Standortbestimmungen der jeweiligen Autoren.

In einem gut lesbaren Gang durch die Geschichte führt Schütz von der Aufklärung und Emanzipation bis zur aktuellen literarischen Produktion. Seine Darstellung verbindet sich aus naheliegenden Gründen mit ausgewählten Aspekten der Geschichte des Antisemitismus. Routiniert führt Schütz dort, wo es nötig ist, in die Zeitgeschichte ein.

Obwohl der Autor nach eigenen Angaben nicht nach Vollständigkeit strebt, ist die Liste der dargestellten Autoren sehr umfangreich und berücksichtigt auch weniger bekannte Namen. Die Darstellungsweise und -länge richtet sich nach Bedeutung und Bekanntheitsgrad der Schriftsteller. Das hat den Nachteil, dass man über einige Autoren kaum mehr erfährt, als dass es sie gab. Trotz dieses Mankos, das wohl in der Natur des Vorhabens begründet liegt, versteht es Schütz, die einzelnen Paragraphen in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Tendenzen in Schreibweise und Thematik wie beispielsweise die der "Ghetto-Geschichten" werden dabei immer wieder analysiert, so dass die Abschnitte zu den einzelnen Autoren - wo möglich - miteinander verbunden werden. Auf diese Weise kann diese Literaturgeschichte tatsächlich gelesen werden. Die an den Seitenrändern eingeschobenen Stichwörter machen es aber auch angenehm leicht, sie als Nachschlagewerk zu benutzen.

Titelbild

Hans J. Schütz: Eure Sprache ist auch meine. Eine deutsch-jüdische Literaturgeschichte.
Pendo Verlag, Zürich 2000.
495 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3858423823

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