Insel der Inseln

Ein Panorama der gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Realität im Kuba des beginnenden 21. Jahrhunderts

Von Dorothea StresingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dorothea Stresing

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Hinter dem Namen der Insel verbergen sich viele Inseln." Die Vielfalt der Inselrealitäten spiegelt sich in dem umfangreichen Band wider, den Ottmar Ette und Martin Franzbach herausgegeben haben: "Kuba heute: Politik, Wirtschaft, Kultur".

Zunächst wird in einem ersten Kapitel über "Geographie und Stadtentwicklung" der Blick auf die räumlichen Veränderungsprozesse und auf den Wandel der Bevölkerungsentwicklung in Kuba gelenkt, die sich zunehmend der Entwicklung in den übrigen Ländern Lateinamerikas annähert, wenn auch Kuba etwa im Bereich der Gesundheitsversorgung vergleichsweise besser dasteht, was in einer äußerst geringen Kindersterblichkeitsrate zum Ausdruck kommt.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war Kuba zu einer grundlegenden Neuorientierung seiner Wirtschaftsbeziehungen und zu einer Neugestaltung seiner Politik gezwungen, deren Auswirkungen auf die innere Entwicklung der Insel immens waren und sind. Sie werden in den Kapiteln über "Politik und Gesellschaft" und "Wirtschaft" im einzelnen beleuchtet. So thematisiert etwa Bert Hoffmann das Verhältnis Kubas zu den USA, indem er die vorsichtige Annäherung beschreibt, die beide Staaten im vergangenen Jahrzehnt vollzogen haben. Susanne Gratius untersucht die Beziehungen zwischen Kuba und der Europäischen Union, die nach dem Ende der Sowjetunion deren Rolle in den Außenhandelsbeziehungen der Insel eingenommen hat, indem sie zum wichtigsten Handelspartner der Insel geworden ist. Die Veränderungen der Machtverhältnisse auf Kuba und die Entwicklung der Kubanischen Revolution sind Beitragsthemen der Beiträge von Raimund Krämer und Frank Niess. Die Autoren ziehen ein eher skeptisches Fazit der jüngsten innenpolitischen Entwicklung auf Kuba und werfen die Frage nach der Neugestaltung der Gesellschaft in der Nach-Castro-Ära auf. Peter B. Schumann stellt in diesem Zusammenhang fest, dass es den Dissidenten auf Kuba in dem "verunsicherten System" bisher nicht gelungen ist, sich zu einer geschlossenen Opposition zu formieren. In seinem Beitrag wird dennoch deutlich, dass es vielfältige Versuche gibt, eine Öffnung herbeizuführen. Dem nach wie vor problematischen Geschlechterverhältnis auf Kuba und den in den letzten Jahren erreichten Fortschritten im Bereich der Gleichberechtigungs- und Gesundheitspolitik ist der Beitrag von Monika Krause-Fuchs gewidmet.

Hans-Jürgen Burchardt gibt in seinen Beiträgen einen Überblick über die Entwicklung der kubanischen Wirtschaftspolitik in den neunziger Jahren und über die Situation der Landwirtschaft. Den derzeitigen Zustand auf Kuba beschreibt er als "stabile Stagnation", die sich nach der Öffnung gegenüber dem Dollar und der Teilprivatisierung der Wirtschaft eingestellt habe. Gleichzeitig zeigt er aber auch die Handlungsfelder auf, in denen wirtschaftliche Stabilität und soziale Sicherheit erreicht werden können. Als einzelne Faktoren der wirtschaftlichen Entwicklung werden in weiteren Beiträgen die noch junge kubanische Hightech-Industrie und der Tourismus dargestellt.

Einen breiten Raum nehmen die Beiträge über kulturelle Entwicklungen und Phänomene in Kuba ein. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Darstellung der kubanischen Literatur, die in ihren unterschiedlichen Facetten beleuchtet wird. Gestellt wird aber ebenso die Frage nach der ethnischen Identität der Exilkubaner in Miami, nach der Sprachsituation in Kuba, nach dem kubanischen Film, nach der Musik, Malerei und Philosophie.

Der Leser lernt zahlreiche der verschiedenen Inseln kennen, aus denen sich der Kontinent Kuba zusammensetzt, und er erhält ein sorgfältig analysiertes und Perspektiven aufzeigendes Bild der kubanischen Lebenswirklichkeit nach den großen und kleinen Umwälzungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

Titelbild

Ottmar Ette / Martin Franzbach (Hg.): Kuba heute. Politik, Wirtschaft, Kultur.
Verlag Klaus Dieter Vervuert, Frankfurt a. M. 2001.
863 Seiten, 45,00 EUR.
ISBN-10: 3893545751

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