Neues aus der Welt der Tennisclubs und Zahnarztgattinnen

Hellmuth Karaseks Roman "Betrug"

Von Andrea EssigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andrea Essig

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Korruption. Das ist das große Thema der Nachrichtenagenturen in diesen Tagen: Korruption in der Politik, in Unternehmen, Behörden und Medien. Wirft man einen Blick in die Zeitung, gewinnt man den Eindruck, ganz Deutschland stecke seit der Aufdeckung der neuesten Spendenaffären in einem Sumpf aus Lügen. "Betrug" ist auch das Thema des aktuellen Romans von Hellmuth Karasek, der mit seiner Fabel vom "Nimmersatt" Robert seinen ganz eigenen Beitrag zur Diskussion um Ethik und Moral, Geld und Abhängigkeit leistet.

Mitten in der Midlife Crisis verliebt sich Robert, Protagonist des Romans, in Katta, die junge Frau seines Finanzberaters und Tennispartners Harald. Dumm, dass er nebenbei noch mit Eva verheiratet ist, von deren Geld er als erfolgloser Kritiker abhängig ist und die er "eigentlich" auch noch liebt. Normalerweise spielt das Quartett im Tennisclub "gemischtes Doppel", doch als Robert mit Katta eine leidenschaftliche Affäre beginnt, scheinen sich die Dinge seiner Kontrolle zu entziehen. Robert möchte Katta an sich binden, ohne die Annehmlichkeiten seines bisherigen Lebens aufgeben zu müssen. So spielt die Geschichte abwechselnd im Tennisclub, in teuren Hotels (die Robert sich in Wirklichkeit gar nicht leisten kann) und auf langweiligen Cocktailparties, wo wir erfahren, was wir ja alle ohnehin schon wissen: dass Ehefrauen in ihrem früheren Leben entweder Arzthelferinnen, Krankenschwestern oder Sekretärinnen waren. Und sollten sie wie Eva durch eine Laune der Natur doch finanziell unabhängig sein, kann das Geld nur geerbt sein.

Hellmuth Karasek parodiert die Welt der Tennisclubs und Zahnarztgattinnen und erzählt zwischen all den langweiligen Klischees die Fabel vom Wolf, der, ein Stück Fleisch im Mund, einen Fluss überquert: Als der Wolf das Spiegelbild des Fleisches im Wasser erblickt, schnappt er nach dem Fleisch, das er dort zu sehen glaubt. "Das Fleisch fällt ihm aus dem Maul, versinkt, der Wasserspiegel ist leer; er hat kein Fleisch mehr. Vielleicht hatte er ja von Anfang an nur das Trugbild im Maul, das vorgespiegelte Fleisch?"

Wie der Wolf, so geht auch Robert am Ende leer aus. Der alternde Liebhaber, der egoistische Ehemann, der Antiheld hat schließlich alles verloren, was ihm anscheinend so wichtig war. Ob es sich hierbei um einen "schillernden Gesellschaftsroman" handelt, um "eine melancholische und komische Liebesgeschichte", bleibt allerdings zu diskutieren. Schließlich führen die endlosen Stereotypen im Geschlechterverhältnis beim Lesen doch zu gelegentlichen Ermüdungserscheinungen. "Betrug" ist vielmehr eine moderne Parabel, eine (Gesellschafts-) Parodie, die ihre eigentliche Bedeutung erst dadurch entfaltet, dass sie immer wieder auch auf andere Texte ("Der fliegende Robert") rekurriert. Eine methodische Raffinesse, die gemeinsam mit den sprachlichen Qualitäten Hellmuth Karaseks dem Buch durchaus zu einem gewissen Charme verhilft.

Titelbild

Hellmuth Karasek: Betrug. Roman.
Ullstein Verlag, Berlin 2001.
302 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3898340252

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