Bildergeschichten
"Mondscheingasse 7" von Helmut Pfandler
Von Natalie Reutlinger
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseHelmut Pfandler präsentiert uns in seinem Roman "Mondscheingasse 7" einen Mann, der nach einem schweren Unfall seit Wochen im Koma liegt. In seinem zertrümmerten Ich-Bewusstsein begegnet der Protagonist verschiedenen Menschen, die ihm einst in positiver oder negativer Weise nahestanden, und durchlebt dadurch Ereignisse bruchstückhaft neu. Jedoch helfen ihm weder die Erinnerungen an vergangene Ereignisse noch die an die Menschen seiner Umgebung aus dem Koma zu erwachen.
Der Roman "Mondscheingasse 7" entstammt der Schriftenreihe "Casa de la paz", die Helmut Pfandler in Zusammenarbeit mit Gerlinde Hausleitner herausgibt. Nach seinen Erfolgen als Autor, Regisseur, Kameramann und Produzent von Spiel- und Dokumentarfilmen - dreimal erhielt Pfandler den österreichischen Kurzfilmpreis - wandte sich der Autor in den 90er Jahren ganz dem Schreiben zu.
"Irgendwann sind Bilder in mir hängen geblieben" lautet eine Aussage von Werner, dem Protagonisten. Bilder, die sich ihm immer wieder und in veränderten Formen aufdrängen, die teilweise kleine Geschichten erzählen, sich ineinander verweben und einen verselbständigten Lauf vernehmen. Der Roman besteht ausschließlich aus den verwirrenden Ereignishäppchen, die den Protagonisten und seine Beziehung zu seinen Mitmenschen darstellt. Da gibt es einmal den widerwärtigen Vermieter, eine unglückliche Ehe, eine Beziehung mit der beinamputierten Barbara, die berufliche Karriere und Beziehungen zu einem Friseur und einem Dichter.
Was in Pfandlers Roman nicht zu kurz kommt, sind Andeutungen und Verweise auf die Geschichte des "Dritten Reiches", obwohl der Autor seinen Roman nicht in diesem Zeitraum ansiedelt; doch im Roman wiederholt sich die Geschichte. "Glaub mir Karl, es kommt alles wieder, spätestens alle fünfzig Jahre kommt es wieder", zitiert der Vermieter des Protagonisten die Weisheit eines alten Mannes. So spielen sich Aufmärsche von Uniformierten ab, tauchen rote Fahnen mit Hakenkreuz auf, wird ein Parteisekretär gesichtet oder das Wort "Neonazi" strapaziert. Der Protagonist nimmt dazu nie direkt Stellung, sondern beschränkt sich auf seine passive Rolle. Diese ändert sich auch nicht, als die Bilder seiner Beziehung zu Barbara auftauchen. Barbara hat sich einer jungen gegenpolitischen Gruppe angeschlossen, deren Kampfmethode zwar unklar bleibt, aber man ahnt ihre Radikalität. Der Gedanke an die RAF bleibt unvermeidbar.
Die Hauptfigur trägt zwar individuelle Züge, bleibt jedoch als Romanfigur uninteressant. Vielmehr Anziehungskraft besitzen der Vermieter oder Barbara - die zwar beide als Figuren auch nicht in sich schlüssig sind, doch vertreten sie Ansichten und agieren, während der Protagonist Zuschauer bleibt.