Die Welt dreht sich eine Schwachsinnsspeiche weiter

Eckhard Henscheid und Oliver Maria Schmitt im Einsatz gegen Wortspielhöllen auf dem "Kotball Erde"

Von Johannes SpringerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Johannes Springer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Thomas Goppel am 22. November auf dem CSU-Parteitag in München den Berliner Oberbürgermeister mit den Worten "Wowereit und Partner, die allabendlich versuchen, der Biologie ein Schnippchen zu schlagen ... Herr Wowereit soll sich nennen, wie er will. Eine Familie ist er nicht" anging, werden Eckhard Henscheid und Oliver Maria Schmitt wahrscheinlich die Ohren gespitzt und die Federn gezückt haben. Denn auch in ihrem mit 52 Glossen gefüllten Band "Erotik pur mit Flirt-Faktor" ist es an Thomas Goppel, Füllstoff für eine der ersten Randnotizen zu liefern. Hier sorgt er noch mit seinen Kommentaren zur Leitkultur für ein schnaubendes Lachen beim Leser: "Wir müssen uns darüber unterhalten, wie diejenigen, die zu uns kommen, rechtzeitig in die Hausordnung eingepasst werden. Wenn das nicht geschieht, ärgern sich die, die schon im Hause sind". Solche und ähnliche Aussagen werden aller Voraussicht nach das Interesse der beiden aus dem Titanicstall kommenden Autoren an CSU Parteitagen nicht abebben lassen. Es ist aber nicht nur die Politik, die ihr Dummdeutsch hier aufgenommen und verwertet findet, es ist das gesamte Spektrum öffentlichen Lebens und Redensvon institutionalisierten Stichwortgebern wie der "BILD-Zeitung" über Johannes Rau, der in diesem Buch eine besonders exponierte Stellung einzunehmen die Ehre hat, bis zu der Stadt Unna inWestfalen.

Mit dem Titel avernischer Alltag hätte man das Buch in Gänze gut zusammengefasst, doch unter diesem Ausspruch findet sich nur ein Drittel für den Oliver Maria Schmitt verantwortlich zeichnet. Das erste Drittel wurde kompiliert aus Glossen, die zum Teil bereits veröffentlicht wurden in der "ZEIT". Zum anderen Teil finden sich hier erstmalig der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Stellungnahmen zur Würdigung des "laufenden Schwachsinns". Den Abschluss leistet Eckhard Henscheids "Gewäsch des Monats", bekannt aus der "Frankfurter Rundschau".

So erfährt der Leser auf teilweise recht elaborierte, dadurch aber nie abgedroschen und platt wirkende Art und Weise von Olafs Henkels Schwäche für Larmoyanz in der Musik- das Gefühl für "Blues in meinem Blut" findet Ausdruck in seiner menschelnden Autobiographie - von den durch Gina Wild gekürten "schönsten Knack-Popos der Liga", denen der Schalker nämlich, und zu anderen Schlüsselkommentaren zu unserer Gesellschaft. Teilweise drängt sich der Eindruck auf, alleine die wachsame Zusammenstellung der peinlichen Zitate des betroffenen Zeitraumes hätte ein komplettes Buch unterhaltsam füllen können. Die Unentbehrlichkeit der Autoren nicht nur als Sammler solcher Szenen, sondern auch als Kommentatoren, manifestiert sich dann jedoch regelmäßig bei ihren meistens sehr zutreffenden Sprachanalysen, die den schon von Max Goldt konstatierten Verwahrlosungssound unserer Zeit verdeutlichen. Teilweise driften diese Polemiken zwar allzu sehr ins pedantisch-altkluge als wie z. B. bei ihrer Kritik der Jugendszenesprachen, aber das sind nur kleine Zäsuren eines sonst fließenden Lesevergnügens. Ihre Beherzigung der "Hinschaukultur" unter permanenter Missachtung Johannes Raus "Entfeindungskultur", ja sogar ihrer Bekämpfung vermittelt einen etwas düsteren, alternativen Blick auf unsere "vorandumpfende" Gesellschaft. Aber Spaß soll das Ganze ja auch nicht machen.

Titelbild

Eckhard Henscheid / Oliver Maria Schmitt: Erotik pur mit Flirt-Faktor.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
153 Seiten, 7,90 EUR.
ISBN-10: 3596153220

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