Über Arno Schmidt, Johnsons Briefe und die "Jahrestage"

Der neunte Band des Johnson-Jahrbuches

Von Rainer Paasch-BeeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Paasch-Beeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Holger Helbig und seine beiden Mitherausgeber machen uns den Abschied wirklich schwer. Denn ausgerechnet der definitiv vorletzte Band des Johnson-Jahrbuches ist der bisher umfangreichste. Wo wird also zukünftig der Stand der anscheinend immer noch quicklebendigen Johnson-Forschung dokumentiert und nachgelesen werden können, wenn im Sommer 2003 mit dem zehnten Band das Jahrbuch - wie häufig angekündigt, doch nie so recht geglaubt - eingestellt wird? Wie wichtig ein solches Forum aber ist, zeigt der vorliegende neunte Band. In der Mitte steht nicht nur vom Umfang (120 Seiten) her der Beitrag "Mit den Augen Cresspahls" von Klaus Kokol, dem einzigen praktizierenden Juristen unter den Johnsonforschern, der sich dem Anhang zum zweiten Band der "Jahrestage" widmet und zum Ergebnis gelangt, dass der Anhang als ein "episches Register" bezeichnet werden kann. Sein Bestreben war es, allen Details, allen "Auskünften" des Anhangs entsprechendes Belegmaterial aus den Textseiten der "Jahrestage" zur Seite zu stellen. Über den tatsächlichen "Gebrauchswert" dieses "Anhangs zum Anhang" kann aber erst die Forschungspraxis der nächsten Jahre entscheiden.

Die ganze Bandbreite der Johnsonphilologie wird an den abgedruckten Beiträgen deutlich. Während sich Christian Elben (über Varianten zur Berliner Stadtbahn), Ulrich Krellner ("Das drittes Buch über Achim") und Dirk Oschmann ("Skizze eines Verunglückten") den kleineren Prosaarbeiten widmen, steht in den Beiträgen u.a. von Susanne Knoche (Erinnerung in den "Jahrestagen" und Weiss' "Ästhetik des Widerstands"), Christof Hamann (New York) sowie in Ingeborg Gerlachs erhellenden Ausführungen über "Politische Reden in den ,Jahrestagen'" das Hauptwerk Johnsons im Mittelpunkt.

Und auch der Meister selbst kommt zu Wort. Roland Berbig zeigt innerhalb seines Aufsatzes einen bisher unveröffentlichten Brief Johnsons an Max Frisch vom Oktober 1960. Übertroffen wird dieser Fund aber noch durch den Hamburger Uwe Neumann. Bei seinen Recherchen im Frankfurter Johnson-Archiv hat er ein von seinem norwegischen Namensvetter Bernd Neumann offensichtlich übersehenes Kleinod entdeckt. So kann er den Johnsonfans - und sicher auch den nicht minder begeisterten Schmidtianern - erstmals ein längeres Arno Schmidt-Porträt Uwe Johnsons präsentieren. Johnson hat dieses bemerkenswerte Porträt im Frühjahr 1964 anlässlich der Verleihung des Fontane-Preises an Schmidt in Berlin verfasst. Zur Freude der Leser hat Neumann seinen Fund mit einer doppeldeutig "Gipfeltreffen!?" überschriebenen Bilanz des "Verhältnisses" dieser beiden schwierigen Autoren umrahmt. Gespickt mit zumeist wenig bekannten literarischen und literarhistorischen Delikatessen (etwa Schmidts Bemerkungen über und Erfahrungen mit der DDR) ist Neumanns Beitrag vielleicht der Glanzpunkt dieses Bandes. Ergänzt wird dieses neunte Jahrbuch schließlich mit Neuigkeiten, sprich Ergänzungen zum "Jahrestage"-Kommentar und dem wie immer umfangreichen Rezensionsteil. Wo allein wird man später so genau und manchmal hyper-kritisch über all die Neuerscheinungen in Sachen Johnson informiert werden?

Titelbild

Holger Helbig / Ulrich Fries / Irmgard Müller (Hg.): Johnson-Jahrbuch Band 9/2002.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002.
398 Seiten, 42,00 EUR.
ISBN-10: 3525209096

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