Nicht mehr als Thekengeschichten

Jakob Arjounis Erzählungsband "Idioten"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nach dem letzten wenig erfreulichen Kayankaya-Krimi "Kismet" (2001) war man einigermaßen gespannt auf die neuen Erzählungen von Jakob Arjouni, zumal er 1998 mit seinem Band "Ein Freund" bewiesen hatte, dass er es versteht, kurz und doch pointiert zu schreiben.

"Fünf Märchen" (so die unkonventionelle Genrebezeichnung) hat der 38-jährige Erfolgsautor nun vorgelegt, und in der Tat kommt dem Leser manches märchenhaft vor - nicht nur wegen der Begegnung mit einer leibhaftigen Fee in der Titelgeschichte "Idioten".

Arjouni, der in seinen Kayankaya-Krimis so viel Wert auf das Frankfurter Lokalkolorit gelegt hat, macht einen Kniefall vor dem literarischen Zeitgeist, der uns in jüngster Vergangenheit (zu) viele Berlin-Romane bescherte, und verlegt die Handlungsorte seiner fünf Texte flugs in die pulsierende Hauptstadt-Metropole.

Berliner Cafés, das Hotel Kempinski, der Gendarmenmarkt, der Innsbrucker Platz - alles wird von Arjouni als Handlungshintergrund nett arrangiert, selbst vor dem Berliner Dialekt und einer oberflächlichen Betroffenheit nach dem 11. September (das musste nun wirklich nicht sein!) schreckt der Autor als aufgeklebte Atmosphärenfolie nicht zurück.

Hauptfiguren in den fünf Texten sind Figuren, die sich zu den besseren (oder zumindest intellektuellen) Kreisen zählen, aber letztlich doch einer trügerischen Scheinwelt verfallen sind: Werbefachmann Max, der in einer börsennotierten Agentur arbeitet und sich für das dortige Arbeitsklima engagiert, ohne zu merken, dass er damit seinen eigenen Job gefährdet; Filmemacher Paul, der sich an Sergio Leone und Francis Ford Coppola orientiert; Sänger Victor Radek, den seine "linke" Mutter nach dem ermordeten chilenischen Sänger Victor Jara benannte; der betagte Groschenromanschreiber Rudolf Kratzer (alias Peter Ohio); und der austernverspeisende Möchtegern-Journalist Manuel. Umgeben sind sie von braven Stichwortgebern; die Konversation verläuft auf Caféhaus-Niveau, einprägsame Kalauer, die dem Leser ein Schmunzeln abringen können, gehören schon zu den Highlights.

Arjouni hat diese Geschichtchen in seiner bekannt flotten, manchmal auch humorvollen Weise zu Papier gebracht. Diese Anekdoten kann man sich zu vorgerückter Stunde nach Alkoholgenuss an der Theke erzählen und fühlt sich dann und dort gut unterhalten. Aber wirklich nur dann und dort!

Titelbild

Jakob Arjouni: Idioten. Fünf Märchen.
Diogenes Verlag, Zürich 2003.
153 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 3257063334

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