Das Kafka-Heft von "Literaturen" und der Narzissmus einer Rezension zu Stachs Kafka-Biografie
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Literaturen" ist die schönste Rezensionszeitschrift, die wir zur Zeit haben. Und sie ist auch, was die inhaltliche Substanz und die Lesbarkeit angeht, vorbildlich. Viele, die hier schreiben, haben Rang und Namen. Das alles gilt auch für das wunderbare Kafka-Doppelheft vom Januar und Februar dieses Jahres. Das große Biografie-Fragment von Reiner Stach steht hier im Zentrum. Besprochen hat es der renommierte Literatur-, Kultur- und Medizinhistoriker Sander L. Gilman aus Chicago. Er ist vielfach ausgewiesener Analytiker kultureller Konstruktionen jüdischer Identität. 1995 erschien seine Studie "Franz Kafka, the Jewish Patient".
Das scheinen gute Vorraussetzungen für eine substantielle Rezension zu sein. Sie gerät jedoch zu einem peinlichen Beispiel dafür, dass Buchbesprechungen oft mehr der Selbstdarstellung des Rezensenten als der kritischen Information über das Buch dienen. Stachs literarisch ambitionierte Biografie kümmert sich um die Kafka-Forschung wenig. Auch Gilmans bislang nur in englischer Sprache erschienene Kafka-Studie erwähnt Stach nicht - was den Rezensenten zu der Bemerkung veranlasst: "Stach hat nicht viel übrig für das meiste, was die Literaturwissenschaft zu sagen hat (vielleicht, weil er es hauptsächlich nur in deutscher Übersetzung kennt)".
Was Stach versäumt hat, holt Gilman in seiner Besprechung gründlich nach. Sie besteht zu weiten Teilen aus Hinweisen auf das, was er selbst über Kafka geschrieben hat und noch nicht ins Deutsche übersetzt ist. Gilman referiert sich selbst, und damit es jeder merkt, sagt er es auch noch ausdrücklich. "Das Bewusstsein jüdischer Identität, individuell und als Gruppe, war in Kafkas Welt sehr stark präsent, wie ich in meiner Studie zu zeigen versuchte." Schon vorher hatte der Rezensent angemerkt, dass Stach ja noch den Abschlussband vorlegen müsse - "über Kafka, den jüdischen Patienten, über den ich geschrieben habe."
K. Franz
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