Scherz, Satire, Ironie und schiefere Bedeutung

F. W. Bernstein illustriert Christian Dietrich Grabbe

Von Helge SchmidRSS-Newsfeed neuer Artikel von Helge Schmid

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Christian Dietrich Grabbe war ein wilder Geselle, ein Theaterrevolutionär, der mit seinen Dramen und Lustspielen nichts anderes im Sinn hatte, als die innovativen Geniethaten Goethens in den Schatten zu stellen. Für ähnlich unspielbar wie den "Götz von Berlichingen" hielt man sein opulentes Drama "Napoleon oder die hundert Tage" (1829/30) - es wurde denn auch erst 1868 vom Theater an der Wien in verstümmelter Fassung uraufgeführt. Ähnlich erging es seinem Lustspiel "Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung" (1822) - erst 1876 konnte es vom Wiener Akademie-Theater in einer Privatvorstellung (!) uraufgeführt werden. Nur ein Stück, "Don Juan und Faust", kam in seiner Heimatstadt Detmold auf die Bühne - und wurde von der literarischen Welt entsprechend zwiespältig aufgenommen. In "Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung" tritt der Autor selber gegen Ende auf, angekündigt vom Schulmeister, der beim Blick aus dem Fenster (einer 'Mauerschau'-Szene) üble Worte für ihn findet: "Das ist der vermaledeite Grabbe, oder wie man ihn eigentlich nennen sollte, die zwergigte Krabbe, der Verfasser dieses Stücks! Er ist so dumm wie'n Kuhfuß, schimpft auf alle Schriftsteller und taugt selber nichts, hat verrenkte Beine, schielende Augen und ein fades Affengesicht. Schließen Sie vor ihm die Tür zu, Herr Baron, schließen Sie vor ihm die Tür zu!"

Dumm war Grabbe sicher nicht, aber unverträglich - seine Zeitgenossen, vom Theaterdirektor und Autor Karl Immermann über seinen Verleger Kettembeil bis hin zu seinem Förderer Ludwig Tieck, sahen, welch falsches Spiel er mit ihnen trieb, wie er sich erst anschmeichelte, dann selbsterniedrigte und schließlich ausfällig wurde. Am Ende wurde er nur noch verlacht.

Umso erstaunlicher und verdienstvoller ist es, dass der Göttinger Satzwerk Verlag sich seiner angenommen hat. Eigentlich hätte dieses Buch schon 2002 erscheinen sollen - doch dann verzögerte sich das Projekt -, und daher kommt es eben jetzt, zeitig genug, um den 65. Geburtstag seines Illustrators F. W. Bernstein zu feiern. Herzlichen Glückwunsch!

In seiner Nachbemerkung bekundet der Künstler, sich bei seiner Arbeit in die Protagonisten des Stücks hineinversetzt zu haben, der "Geist der Groteske" habe ihm dabei Pate gestanden: "Er herrscht anmutig schrill, dreist und gemein in Grabbes Szenen." Von Überzeichnung daher keine Spur, sondern Werktreue im schönsten Spannungsverhältnis zum Text. Jede Bildsensation ist zugleich ein Zitat aus der Kunstgeschichte - ach, wenn man es doch nur zu benennen wüsste! Max Ernst und Paul Klee haben hier ihre Duftmarken gesetzt ("Mollfels' bewaffnete Bediente"), Charlie Brown oder Beethoven schleppen Alkohol herbei ("Bachus war ein braver Mann"), Mademoiselle Léonide hat frisch Rouge aufgelegt, es fehlte nicht viel, und der langnasige Knittelmagister erinnerte uns an Giacometti.

Nur dreihundert nummerierte Exemplare gibt es von diesem herrlichen Buch - daher: rasch zugreifen! Der Satzwerk Verlag hat einen lichtdurchfluteten, lesefreundlichen, großzügigen Satz gewählt und Bernsteins Illustrationen hervorragend reproduziert - man sieht noch, wie der Künstler das Saufgelage im dritten Akt mit feinem Bleistift vorzeichnete. Auf diese Weise sind nicht nur die dargestellten Figuren noch belebter, nein auch der Hintergrund und die Ränder des Bildes leben auf und erzählen die Geschichte seiner Entstehung. Chapeau!

Kein Bild

Christian Dietrich Grabbe / F. W. Bernstein: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen. Illustriert von F. W. Bernstein.
300 nummerierte Exemplare.
Satzwerk Verlag, Göttingen 2003.
128 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-10: 3930333430

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