Aspirin und Lyrik

Gert Fröbe liest aus Doktor Erich Kästners "Lyrischer Hausapotheke"

Von Britta WaltmansRSS-Newsfeed neuer Artikel von Britta Waltmans

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Es gibt nichts Gutes,
außer: man tut es!"

Diese Worte - von Erich Kästner selbst als "Moral" bezeichnet - bestätigen seine Skepsis gegenüber dem Guten im Menschen. Immer schon war er Kritiker der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Menschen, die sie erschaffen beziehungsweise akzeptiert haben. Während des "Dritten Reiches" wurden seine Bücher deshalb als ketzerisch verbrannt, doch trotzdem hat Kästner seine literarischen Bemühungen nicht aufgegeben und gilt bis heute als "lyrischer Reporter seiner Zeit". Die Tatsache, dass er reimt und sich der verschiedensten Versmaße zu bedienen weiß, macht das Lesen - oder hier das Zuhören - sehr angenehm. Erich Kästner war ein phantastischer Beobachter: Ob Geiz, Dummheit oder Trunksucht - keine schlechte menschliche Eigenschaft oder bloße Alltäglichkeit ist ihm je entgangen. Er widmet sich den "Händen einer Waschfrau" ebenso wie Shakespeares "Hamlet". In seiner "Lyrischen Hausapotheke" nimmt er sich nun den seelischen Leiden der Menschen an und will neben Aspirin und Leukoplast ein humorvolles Mittel zur Bewältigung der "großen und kleinen Schwierigkeiten der Existenz" bieten, denn

"Das ist das Verhängnis:
zwischen Empfängnis
und Leichenbegängnis
nichts als Bedrängnis."

Aus diesem Anliegen heraus erklärt sich auch der Titel des Gedichtbandes, der hier vertont wurde. Er widmet sich der "Therapie des Privatlebens", weil das Leben zu hart sei, um ernst genommen zu werden.

Vorgetragen werden seine Gedichte von Gert Fröbe, der sich als begnadeter Schauspieler einen Namen gemacht hat. Und auch auf dieser CD ist sein Talent deutlich zu hören. Er spielt mit den Höhen und Tiefen seiner Stimme, lallt die Worte des betrunkenen Schauspielers aus "Hamlets Geist" und scheint pikiert die Nase zu rümpfen, wenn es um die "ganz besonders feinen Damen" geht. Auch Kästner selbst hätte seine Gedichte wohl kaum treffender vortragen können. Der Vortrag wird von kurzen Pausen aufgelockert, die Walter Sahm mit freundlicher Klaviermusik gestaltet. Die somit durchweg gute Darbietung tröstet über die schlechte Qualität der Aufnahme hinweg, die manchmal leicht scheppernd klingt und deshalb nicht zu laut genossen werden sollte. Diese Störungen rühren von der Tatsache her, dass es sich um eine Amateuraufnahme aus dem Jahre 1988 handelt, die nicht mehr professionell vertont werden konnte, da Gert Fröbe wenige Tage nach seinem Auftritt in München verstarb.

Jeder Kästner-Liebhaber wird jedoch über die kleinen Makel hinweg sehen können und den 34-minütigen Vortrag der lyrischen Seelenmedizin mit äußerster Freude genießen.

Titelbild

Gert Fröbe liest aus Doktor Erich Kästners lyrischer Hausapotheke. CD.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2003.
34 Minuten, 17,50 EUR.
ISBN-10: 3036911375

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