Wo die Toskana noch lebendig ist

Christiane Büld Campetti über "Die Außenstelle des Paradieses"

Von Christina UjmaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Ujma

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die Außenstelle des Paradieses, Toskanische Tagträume" lautet der etwas bombastische Titel von Christiane Büld Campettis Sammelband von Essays und Reportagen über die toskanische Gegenwartskultur. Der Titel ist irreführend, denn die klare Journalistenprosa der Autorin hat so gar nichts Verträumtes, und ihre Berichte unterscheiden sie wohltuend von der allgemeinen Verkitschung der Toskana zum Paradies. Von dieser hält sie wenig, auch von der Perspektive der Touristen oder der der toskanadeutschen Häuslebesitzer distanziert sie sich nachdrücklich. Ausführlich lässt sie dagegen den bekannten Florentiner Krimiautor Nino Filastò zu Wort kommen, der sich über die Verwandlung der Kunststadt Florenz in ein Eurodisneyland der Renaissance beklagt. Büld Campetti illustriert diese Klagen in dem Essay "Fußball statt Hochkultur, Vom italienischen Umgang mit zeitgenössischer Kunst" und stellt in kurzen Porträts Persönlichkeiten und Initiativen vor, die mit ihrem Engagement für toskanische Gegenwartskunst gegen den Strom schwimmen, wie die Galeristin Maria Luigia Guaita, die Kunstwerkstatt La Tinaia, den Skulpturengarten Daniel Spoerris und den Kunstgarten des Unternehmers Giuliano Gori. Doch nicht nur moderne Hochkultur liegt der Autorin am Herzen, liebevoll beschreibt sie auch, wie die Bewohner der toskanischen Provinz ihre Volkskultur pflegen und dabei Traditionen lebendig erhalten, ohne sie zu musealisieren oder in tümliche Brauchtumspflege zu verfallen.

Zu den interessantesten Teilen ihres Buches gehören Büld Campettis Essays über Region und Küche. Hier stellt sie die Garfagna und ihren Kastienanbau vor oder porträtiert die neuesten Trends in der Weinerzeugung der Chiantiregion. Stadt, Küche, Geschichte und Mentalität werden in dem Aufsatz "Livorneser Eintopf, Impressionen aus der ehrlichsten Stadt der Toskana" zu einem kompakten und komplexen Städtebild verwoben. Interessant ist auch ihre Reportage über die Gebiete der Toskana, in denen der Trüffel zu finden ist, eine teure und berühmte kulinarische Delikatesse. Weil jedoch Landflucht und moderne Landwirtschaft den begehrten Pilz arg dezimierten, hat das Programm "Artenschutz für einen Gaumenschmaus" zu einem pfleglicheren Umgang mit der Landschaft geführt, was die Autorin für vorbildlich und dringend notwendig hält. Denn die berühmte toskanische Landschaft ist auf dem Rückzug, Industrialisierung, Straßenbau, Überdüngung des Bodens und Arno-Regulierung haben zu vielerlei Problemen geführt. In mehreren Reportagen über Umweltprobleme wird deutlich, dass für Touristen die Toskana eine paradiesische Ausnahmelandschaft sein mag, aber ihre Bewohner mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, wie ihre italienischen und europäischen Nachbarn. Büld Campetti liefert ein Toskanabild, dass sich deutlich von der Hochglanz-Idylle, die Reisemagazine und Illustrierten verbreiten, absetzt. Dazu gehört auch eine launige Schilderung der toskanischen Sektion der "Italienischen Hausmännervereinigung", in der klar wird, dass das Klischee der italienischen Mama als unbeschränkter aber weichherziger Herrscherin über Haus und Küche langsam ausgedient hat. Stattdessen zeigt sie, dass die als ebenso sexy wie chauvinistisch bekannten italienischen Männer sich manchmal auch für mehr als Frauen und Fußball interessieren.

Insgesamt liefert Büld Campettis Buch kein Porträt der Toskana als einer Außenstelle des Paradieses, sondern zeigt, dass es neben Problemen auch immer noch Leben und Kreativität in der musealisierten Kulturregion gibt.

Titelbild

Christiane Büld Campetti: Die Außenstelle des Paradieses. Toskanische Tagträume.
Picus Verlag, Wien 2003.
132 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-10: 3854527713

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch