Zwischen Freistätte und Masterplan

Die Berliner Museumsinsel in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Von Michael GriskoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Grisko

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das derzeit größte gesamtdeutsche Bauprojekt ist wohl die in dieser Form einzigartige Berliner Museumsinsel. Bereits 1841 als "Freistätte der Wissenschaft" gegründet, war sie nicht nur das ehrgeizigste kultur- und wissenschaftspolitische Projekt der deutschen Kaiserfamilie, sondern vereint auch heute noch die herausragendsten Zeugnisse europäischer und außereuropäischer Kulturen.

Wenn auch derzeitig noch Hans Eichel als oberster Finanzier über den Zeitplan des Umbaus zur neuen Museumsinsel wacht und entscheidet, hat die Arbeit der Architekten, Restauratoren und der beteiligten Forscher und Direktoren längst begonnen. Bode- und Pergamonmuseum, die Alte Nationalgalerie sowie das Neue und das Alte Museum sollen in der neuen Planung eine ehemals beschworene Einheit wiedergewinnen. "Masterplan" lautet die Zauberformel und David Chipperfield deren Magier.

Den mehr als ein Jahrzehnt dauernden Umbau begleitet das ZDF mit einer Langzeitdokumentation und einem Buch zur Serie. Teil 1: Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Museumsinsel. Ganz dem Medium angemessen mit vielen Bildern, Schnitten und kleinen Appetizern und Hintergrundberichten. Diese Vielseitigkeit macht das Buch im besten Sinne kurzweilig und zugleich ungeheuer informativ. So wird der Dreisprung von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft zum unterhaltsamen Bildungsparcours mit menschlichem Antlitz.

Menschlich auch deshalb, weil neben den Highlights der Museen, die in Kurzporträts vorgestellt werden, deutlich wird, dass es vor allem ein Projekt war und ist, das von der Energie, den Visionen und der täglichen Begeisterung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lebt. So reichen die Porträts von Friedrich August Stüler (Architekt Neues Museum), über Alfred Messel und Ludwig Hoffmann (verantwortlich für den Entwurf und die Ausführung des heutigen Pergamonmuseums) bis hin zu Klaus Peter Schuster (derzeitiger Generaldirektor) und fangen ebenso die Arbeit von Kuratoren, Pförtnern und Restauratoren ein.

Mit den als Kurzvorstellung konzipierten Highlights der Häuser wird einmal mehr die Vielfalt und die außerordentliche Einzigartigkeit der Bestände vor Augen geführt, die hier nur in Stichworten, wie etwa Riemenschneider-Altar, Pergamonfries, Ischtartor, Nofretete oder Alhambra-Kuppel angedeutet werden können.

Die Gliederung entspricht etwas starr der musealen Aufteilung der Insel. Nach der Rekonstruktion der Inselgründung auf Pfählen, eine bis heute famose ingenieurtechnische Leistung, die jedoch auch ihren Tribut fordert, erfolgt eine Vorstellung jedes Hauses, bevor abschließend ein Blick auf das Projekt "Masterplan" geworfen wird. Wenn die Archäologische Promenade einmal die Häuser verbindet und das Erbe der Weltkulturen in einem vorurteilslosen Präsentationszusammenhang steht, dann - dies wird auch bei der Lektüre immer wieder deutlich - vollendet sich eine Vision der Museumsinsel aus ihren Anfangstagen. Denn auch wenn die Ausgrabungen und Museumsbauten zur Darstellung nationaler Größe im In- und Ausland dienen sollte, war sie mit der Gründung des Vorderasiatischen, des Ägyptischen und Islamischen Museums und der Antikensammlung doch auch immer eine Begegnungs- und Erkundungsstätte der Weltkulturen. Nicht nur aus diesem Grund hat die Unesco die Museumsinsel zum Weltkulturerbe erklärt.

Es liegt nun vor allem an der Renovierungspolitik der Bundesregierung, aus dieser einzigartigen Insel der Kulturen ein zusammenhängendes Ensemble der Wissenschaft und Kunst zu formen, oder anders formuliert, den Mythos planmäßig in eine real gewordene Vision zu überführen. In diesem Sinne darf man auch auf den zweiten Teil gespannt sein, der für Herbst 2003 angekündigt ist: Das Pergamonmuseum.

Titelbild

Carola Wedel (Hg.): Die neue Museumsinsel. Der Mythos, der Plan, die Vision.
Nicolai Verlag, Berlin 2002.
200 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3875844653

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